Verschwörungstheorien – absurd und faszinierend zugleich

Dieser Artikel ist zuerst in der Vereinszeitschrift „Das Fundament“ des DCTB erschienen und wird hier mit freundlicher Zustimmung des Autors veröffentlicht. …
Verschwörungstheorien – absurd und faszinierend zugleich

Dieser Artikel ist zuerst in der Vereinszeitschrift „Das Fundament“ des DCTB erschienen und wird hier mit freundlicher Zustimmung des Autors veröffentlicht.


Eine Krise der Glaubwürdigkeit

Schon gewusst? Die Erde ist flach, keine Kugel! Was zunächst nach einer verdrehten Einzelmeinung klingt, ist nunmehr eine der populärsten Verschwörungstheorien, die das Internet zu bieten hat. Die Flat Earth Society, auf Deutsch „Flacherdler“ genannt, präsentiert beispielsweise viele Menschen, welche tatsächlich der Meinung sind, dass die Erde flach ist. 1956 gegründet, erfreut sie sich – das Internet macht’s möglich – wachsender Beliebtheit.

Wenn der Globus eine Lüge ist – der Glaube an eine flache Erde

Zusammengefasst besagt diese Theorie, dass im Zentrum der Erdscheibe die Arktis liegt, den Rand begrenzen die Eismassen der Antarktis, damit niemand versehentlich abstürzt. Zur Bewachung sind am Eiswall auch bewaffnete Mitarbeiter der NASA stationiert. Über der Scheibe spannt sich der Himmel wie eine Kuppel.

Wie viele Menschen tatsächlich an eine flache Gestalt der Erde glauben, ist unklar. Gesellschaften gibt es weltweit, viele von ihnen sind religiös – auch „christlich“ – motiviert. Seit zwei Jahren erlebt die Flat-Earther-Bewegung einen massiven Aufschwung, seit 2017 finden sogar internationale Konferenzen statt. So soll etwa die «wissenschaftliche Elite» das Globus-Modell erfunden haben, um die Menschen von Gott fernzuhalten. Anhänger dieser Theorie scheuen sich bisweilen auch nicht, die biblische Schöpfung als Beweis heranzuziehen.

Verschwörungstheorien – es gab sie schon immer

Sie gelten als sogenannte anthropologische Konstante. Es bedeutet: Es gab sie schon zu allen Zeiten. Sie gehören damit zur Menschheitsgeschichte. Schon Kaiser Nero wusste es zu nutzen, als er den großen Brand von Rom Christen anhängte, da ihnen die Stadtbevölkerung ohnehin einen allgemeinen Menschenhass unterstellte, damit wurden sie zum idealen Sündenbock. Jedoch erst ab der Neuzeit entfalten ominöse Theorien eine Breitenwirkung in der Gesellschaft. Und ab dem 21. Jahrhundert können sie sich durch das Internet immens schnell verbreiten. Bei den „Flat Earthers“ etwa sorgten YouTube-Videos für eine schnelle Verbreitung des Gedankenguts.

Wie entstehen Verschwörungstheorien?

Am Anfang steht der Verschwörungsglaube. Hier geht es um ein Misstrauen, das sich gegen eine spezifische Personengruppe oder Institution richtet. Dieser Glaube geht von einer Gruppe aus, die sich verabredet, um etwas Verbrecherisches zu planen, etwas großes Böses. Im Fall der Flat Earther sind es die Regierungsorganisationen und insbesondere die NASA, die sich als „Experten“ über den „normalen“ Menschen stellen und verhindern, dass die Wahrheit ans Licht kommt. Hinzu kommt ein Ränkespiel der Regierungen, um das Geheimnis der flachen Erde zu hüten.

Die Entstehung einer Sub-Realität

Hinter allen Entwicklungen der Welt steckt ein geheimer Plan. Bestimmte soziale Phänomene oder historische Ereignisse – etwa ein Amoklauf, den die Regierung nicht verhindern kann – werden auf Verschwörungen zurückgeführt; eine Legende wird erzählt. Erklärungen werden dadurch vereinfacht. Und so sieht der Politikwissenschaftler Michael Barkun drei Grundprinzipien, welche Verschwörungstheorien zu Grunde liegen: Nichts geschieht durch Zufall; nichts ist, wie es scheint und alles ist miteinander verbunden. Es entsteht eine Sub-Realität, welche es ermöglicht, erstaunliche Annahmen zu treffen. Darüber hinaus geben sich Verschwörungstheorien einen Anschein von Wissenschaftlichkeit, was zu einer wasserdichten Theorie führt, welche unangreifbar gegenüber Kritik wird. Und damit sind wir bei der Verschwörungstheorie. Nun sind Kriterien wie die Wahrheitsfrage nicht mehr wichtig. Es geht nur noch um die Frage: Wird mein Verschwörungsglaube gestärkt?

Warum glauben Menschen einer solchen Theorie?

So mancher wird ungläubig den Kopf schütteln und sich diese Frage stellen. Ein Faktor ist sicherlich psychologischer Natur: Da gibt es auf der einen Seite eine dunkle Macht, die als „Establishment“ die Fäden in der Hand hält und die meisten Menschen durch Gehirnwäsche unter Kontrolle hält. Auf der anderen Seite gibt es eine kleine Gruppe Tapferer, welche die Wahrheit erkannt haben und Widerstand leisten. Diese „Gallier-gegen-Römer“-Mentalität wertet die eigene Existenz auf. Wie attraktiv das sein kann, zeigt die Facebookseite „The Flat Earth Society“, welche von Dezember 2017 bis Oktober 2019 von 103.000 auf 219.000 Follower um mehr als 100 Prozent anstieg.

Des Weiteren lassen sich Menschen weniger von logischen Fakten bestimmen, als wir es vielleicht annehmen. Komplexe Vorgänge werden gerne vereinfacht. Wenn es bei der Verschwörung um eine spannende Geschichte geht, wird sie gerne Anklang finden.

Wer sind die Drahtzieher „im Hintergrund“?

Bei Verschwörungstheorien haben sich nun bestimmte Gruppen etabliert, die sich als verdächtige Drahtzieher anbieten: Das sind beispielsweise die Mächtigen: Regierungen, Geheimdienste, Konzerne; aber auch Juden, Freimaurer, Jesuiten oder eine andere Bruderschaft gehören dazu. Diese Gruppen können sich gut organisieren, sie treten einheitlich auf und sind international präsent. Für den „normalen“ Menschen äußerlich nicht erkennbar, traut man ihnen zu, im Geheimen Verbrechen zu begehen.

Jeder zweite Deutsche schenkt Verschwörungstheorien Glauben

Wie viele Menschen glauben an Verschwörungstheorien? Laut einer neueren Stiftung der Friedrich-Ebert-Stiftung aus dem Jahr 2019, der „Mitte-Studie“, ist der Glaube an Verschwörungstheorien in Deutschland weit verbreitet: So nehmen 46 Prozent der rund 1900 Befragten an, es gebe geheime Organisationen, die politische Entscheidungen beeinflussen. Dabei ist wichtig zu betonen, dass es hier nicht um Lobbygruppen geht, die politisch Einfluss nehmen. Vielmehr geht es um geheime Aktionen von Mächtigen, die das Heft in der Hand haben.

Christen und Verschwörungstheorien

Auch Christen sind nicht abgeneigt gegenüber solchen Theorien, insbesondere wenn sie endzeitliche Themen und die Interpretation von Ereignissen der Gegenwart betreffen. Hier kann sich jeder prüfen und fragen: Wo bin ich betroffen? Wo sind in meinem persönlichen Weltbild Elemente, die verschwörungstheoretisch aufgeladen sind? Denn vieles, was wir glauben, beruht nicht unbedingt auf Fakten, sondern auf Grundannahmen. Und – ganz wichtig – was ist mit echten Verschwörungen, die im Allgemeinen viel banaler sind?

Christen leben ebenfalls in einer Welt, in der nichts durch Zufall geschieht. Jedoch ist es hier keine dunkle Macht oder eine Gruppe von Menschen, welche die Fäden im Hintergrund zieht, sondern Gott selbst: Er lenkt die Welt nach seinem Plan.

Christen müssen sich auch nicht als die Minderheit „Wissender“ sehen, welche über den anderen Menschen stehen und gegen ein wie auch immer geartetes „Establishment“ kämpfen. Vielmehr ist das christliche Selbstverständnis das eines Botschafters, welcher den Menschen die gute Nachricht bringt, dass ihre Trennung von Gott durch den Glauben an Jesus Christus aufgehoben und sie gerettet werden können. Klingt das nach einer Verschwörungstheorie? In den Augen eines modernen, aufgeklärten Menschen bestehen hier sicherlich Parallelen. Jedoch gibt es einen entscheidenden Unterschied. Menschen erfahren seit über 2.000 Jahren die lebensverändernde Kraft dieses Jesus‘ und tragen angesichts des Leids, des Bösen und des Todes dieser Welt dennoch eine reale Hoffnung in sich. Hoffnung aber bietet keine Verschwörungstheorie dieser Welt.