Teil 3: Ein bisschen Theorie – Wer fragt, führt! 

Ein Überblick über Fragetechniken 
Teil 3: Ein bisschen Theorie – Wer fragt, führt! 

Wer fragt, führt. Das gilt für dich als Moderator einer Gemeinde- oder Jugendveranstaltung, als Mentor im 1zu1 oder im offenen Gruppengespräch. Das ist erstmal kontraintuitiv. (entgegen der Intuition) Wir denken oft: Wer antwortet, setzt die inhaltlichen Impulse. Dieser Artikel zeigt, warum hinter Fragen so viel Potenzial steckt und wie wir Fragetechniken- und typen auch gezielt einsetzen können. Nebenbei können wir dabei entdecken: Jesus hat auch ganz unterschiedliche Fragetechniken – gezielt! - verwendet. Denn wie gesagt: Wer fragt, führt. Und wer gut fragt, führt besser. 

 

4 Arten von Fragen 

Prinzipiell können wir zwischen 4 unterschiedlichen Arten von Fragen unterscheiden: 

  1. Informative Fragen (gesteuert) 

  2. Systemische Fragen (gesteuert, offen) 

  3. Suggestivfragen (gesteuert, halboffen) 

  4. Rhetorische Fragen (gesteuert, geschlossen) 

Wichtig ist, dass wir uns in jeder Gesprächssituation unser Gesprächsziel klarmachen. Wollen wir eine Person besser kennenlernen, eine schwierige Frage ergebnisorientiert diskutieren, einen Jugendabend am Bibeltext orientiert moderieren, ein Teammitglied anleiten oder ein seelsorgerliches Gespräch führen? Wenn unser Gesprächsziel klar ist, sind Fragen ein mächtiges Tool, um den anderen, uns selbst und das Gespräch voranzubringen.  

 

1. Informative Fragen (gesteuert) 

Bsp. Wie heißt du? Warum bist du Lehrer geworden? 

Das Ziel von informativen Fragen: 

  1. Erkenntnisgewinn (klare Antworten auf einfache Fragen) 

  2. Effektive Informationsweitergabe  

  3. z.B. um neuen Jugendlichen durch guten Smalltalk den Start in eure Gruppe zu erleichtern; zum Beginn einer Mentoringbeziehung; um ein Thema sachlich zu diskutieren 

Wie stelle ich informative Fragen? 

  1. Offene Fragen 

    • Def. = Antwort kann in jede Richtung gehen, oft W-Fragen (Was denkst du zum neuen Koalitionsvertrag?

    • Möglich: Small-Talk oder Big-Talk Fragen (Small-Talk = allgemeine, einfache Fragen ohne weitreichende Konsequenzen / Big-Talk = universelle, bedeutungsvolle, offene Fragen, die eine Geschichte provozieren) 

    • Beispiel Jesus: “Für wen halten mich die Leute?” (Mk 8,27) 

  2. Halboffene Fragen 

    • Was ist deine Lieblingsfarbe? 

    • Beispiel Jesus: “Wie viele Brote habt ihr?” (Mk 8,5) 

  3. Geschlossene Fragen 

    • Entscheidungsfragen (ja/nein), Alternativfragen (Tee oder Kaffee

    • Beispiel Jesus: “Was ist leichter, zu dem Gelähmten zu sagen: Dir sind die Sünden vergeben!, oder zu sagen: Steh auf, nimmt deine Matte und geh umher?” (Mk 2,8f.) 

 

2. Systemische Fragen (gesteuert, offen) 

Bsp. Wie würden wir entscheiden, wenn Geld keine Rolle spielt? Wie zufrieden bist du mit deiner Gottesbeziehung im Vergleich zum letzten Jahr? 

Das Ziel von systemischen Fragen: 

  1. Nicht Erkenntnisgewinn des Fragenden, sondern zur Selbstreflexion des Gefragten 

  2. Gesprächsziel ist klar (z.B. Strategieplan aufstellen), der Weg muss noch gefunden werden (z.B. die strategischen Schritte) 

  3. z.B. um deinem Mentee bei einer Entscheidung zu helfen; hilfreich bei festgefahrenen Teamentscheidungen aber auch zentraler Bestandteil in jedem themenorientierten Interview oder in seelsorgerlichen Gesprächen 

Wie stelle ich systemische Fragen? 

  1. Reflexionsfragen 

    • = Fragen, die ein (vergangenes oder zukünftiges) Erlebnis/Ereignis emotional einordnen sollen; soll dem Gesprächspartner helfen, die eigenen Motive, Wünsche und Gedanken einzuordnen 

    • z.B.: Was denkst du zu...? Wie bewertest du den Abend? 

    • Beispiel Jesus: “Was willst du, dass ich dir tun soll?” (Mk 10,51) 

  2. Zirkuläre Frage 

    • = Position eines anderen einnehmen, um Fragen/Probleme von einem anderen Aspekt beleuchten zu können 

    • z.B.: Was würden dir deine Freunde raten? Was würde dein Chef dazu sagen? 

    • Beispiel Jesus: “Was hat euch Mose geboten?” (Mk 10,3) 

  3. Rückfragen 

    • Wie hast du das gemeint? 

    • Beispiel Jesus: “Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als Gott allein!” (Mk 10,18) 

  4. Hypothetische Fragen 

    • = Problematische Faktoren ausklammern, um visionsorientiert arbeiten zu können 

    • z.B.: Stell dir vor, alles wäre möglich. Was würdest du tun? Was würdest du tun, wenn Geld keine Rolle spielen würde? Was wäre, wenn ... 

  5. Skalierende Fragen 

    • = Probleme werden in die richtige Perspektive gesetzt 

    • z.B.: Wie geht es dir im Vergleich zu letztem Jahr? Auf einer Skala von 1-10, wie umständlich ist das für dich? 

 

3. Suggestivfragen (gesteuert, halboffen) 


z.B. Hast du schon wieder den Zug verpasst? Du willst doch auch, dass die Jugendlichen die Bibel lieb gewinnen, oder? 

Das Ziel von Suggestivfragen: 

  1. Nicht: Die Ansicht des Befragten kennenlernen; Sondern: Die Ansicht/Angaben des Gegenübers steuern 

  2. Methode, um eigene Ziele zu erreichen; aber auch Methode, um Interviews zuzuspitzen

  3. z.B.: bei notwendigen konfrontativen und ermahnenden Gesprächen; im entscheidenden Teil eines Interviews, um eine Reaktion zu provozieren, die den Zuhörern weiterhilft  

Wie stelle ich Suggestivfragen? 

  1. Unterstellung  

    • Du wolltest doch auch eine möglich günstige Variante, oder? 

  2. Ironie oder Absurdität herausarbeiten 

    • Positiv und konstruktiv nutzbar, soll dem Gegenüber die Absurdität einer Situation vor Augen führen: Stimmt, nach 20 Uhr ist Lügen auch erlaubt, oder?  

    • Beispiel Jesus: “Simon schläfst du? Konntest du nicht eine Stunde wachen?” (Mk 14,37)

  3. Dilemma erzeugen 

    • = das Gegenüber mit der Frage vor eine unmögliche Wahl stellen 

    • Bist du immer noch nicht weitergekommen? (> "immer noch" = immer Angriff) 

    • Problem für den Antwortenden: Ja und Nein ist die falsche Antwort 

    • Beispiel Jesus: “Du bist der Lehrer Israels und verstehst das nicht?” (Jo 3,10) 

Exkurs: Wie gehe ich mit Suggestivfragen um? 

Suggestivfragen sind tendenziell die “manipulativsten” Fragen. Sie haben ihre Berechtigung, können aber schnell eine unfaire Gesprächssituation erzeugen, in der sich nicht die bessere Meinung, sondern der eloquentere Gesprächspartner durchsetzt. Sei dir als Fragesteller bewusst, was du tust und missbrauche deine “Macht” nicht. Und wenn du mit unfairen Suggestivfragen konfrontiert wirst, gibt es auch ein paar elegante Auswege: 

  1. Suggestivfragen als solche enttarnen  

    • Evtl. mit Suggestivfrage: Denkst du nicht auch, dass uns Suggestivfragen hier nicht weiterhelfen? 

  2. Die Antwort verweigern 

    • Beispiel Jesus: “In welcher Vollmacht tust du dies?” > “Wenn ihr mir antwortet, so will euch antworten … War die Taufe des Johannes vom Himmel oder von Menschen?” (Mk 11,28ff.) 

  3. Freundliche Rückfragen 

    • Warum denkst du das? Was ist die Ziel mit dieser Frage? 

  

4. Rhetorische Fragen (gesteuert, geschlossen) 

z.B.: Wer in diesem Saal muss einmal sterben?  

Das Ziel von rhetorischen Fragen: 

  1. Steuerung des Gesprächs 

  2. Es wird keine Antwort erwartet 

  3. Eher eine als Frage versteckte Behauptung 

  4. Um einen inhaltlichen Punkt absolut deutlich zu machen 

  5. z.B. in Predigten oder bei der Moderation; Stilmittel beim Leiten von Kleingruppen 

Wie stelle ich rhetorische Fragen? 

  1. Scheinfragen 

    • Behauptung aufstellen und “... - oder?” anhängen 

  2. Offensichtliche Antworten offensichtlich machen 

    • Willst du wirklich, dass deine Zuhörer mit diesem Zielgedanken nach Hause gehen? 

    • Beispiel Jesus: Was hilft es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt und sein Leben verliert? (Mk 8,38) 

    • Beispiel Jesus: Wie kann der Satan den Satan austreiben? (Mk 3,23)