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Begründet glauben

GenZ und Glaube: Warum finden heute so wenige Menschen zu Jesus?

Eine Analyse der gesellschaftlichen Veränderungen und wie das verändert, wie wir über Gott sprechen

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10. Oktober
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6 min
Meredith Spencer Sr4xt O90t Um Unsplash

Schade. Ich hatte gehofft, dass du ein paar gute Gründe hast, warum ich es mal mit Gott probieren soll. Aber ich bin nicht überzeugt.“ Das sagte mir ein Kommilitone bei einem Abendessen mit Freunden. Ich war ziemlich schockiert. Es wurde noch schlimmer, als ich feststellte, dass ähnliche Situationen in meinem Alltag öfter vorkommen: Zum Beispiel bei unserem evangelistischen Studententreff, wo wir darüber sprechen, wie gut  die Historizität Jesu erwiesen ist. Und alle nicken und finden das total logisch – und schon beim Nachtisch ist klar, dass sich keiner bekehren wird. Oder wenn wir in der Jugend feststellen, dass unsere nicht-christlichen Schulfreunde trotz guter Gespräche immer weiter von Gott wegkommen.

Warum finden heute so wenig Jugendliche zu Jesus? Warum kommt das, was wir sagen, irgendwie nicht mehr an?

Wir haben ein Problem. Das Problem ist, dass unser Anliegen seit 2000 Jahren gleich ist. Die Botschaft ist die Gleiche. Der Gott ist der Gleiche. Aber die Menschen haben sich verändert. Die Sprache und Kultur haben sich verändert. Und das führt zu einer Diskrepanz. Diese Spannung ignorieren wir – oder nehmen sie bedauernd zur Kenntnis, tun aber so, als könne man da nix machen. Ist das so? Paulus wurde in Athen genau die Frage gestellt, die bei meinem Abendessen der Auslöser für das Gespräch über Gott war: Paulus, was glaubst du da eigentlich? (Apostelgeschichte 17) Und Paulus löst die Diskrepanz auf. Nicht, indem er das Evangelium veränderte – sondern seine Methode der Evangelisation. Ich glaube, dass wir heute noch Jugendliche gewinnen, wenn wir beobachten, was auf den Straßen unserer Zeit passiert. Wenn wir auf den Areopag des 21. Jahrhunderts steigen und dort über Jesus reden. Und wenn wir die Statuen der „Gen Z“ als Aufhänger benutzen. Die nächsten fünf Punkte sind ein Blitz-Ausflug in die Straßen, zu den Statuen und auf den Areopag unserer Zeit.

 1. Relevant statt real

Die „Generation Z“ – also in etwa die Jugendlichen, die nach 2000 geboren sind – ist pragmatisch. Wichtiger als das, was wahr ist, ist das, was relevant ist. Glaube ist dann relevant, wenn er hilft, den Alltag zu bewältigen. Wenn wir Jugendliche heute mit dem Evangelium erreichen wollen, müssen wir relevant sein. Wir müssen „die Narrative unserer Gesellschaft aufgreifen und Gottes Happy End zeigen“ (Tim Keller), also verstehen, inwiefern das Evangelium eine gute Nachricht für die Fragen der Jugendlichen ist. Welche Fragen haben Jugendliche? Die SINUS Jugendstudie (2020) arbeitet zum Beispiel Leistung, Selbstverantwortung, Sicherheit, Halt und Geborgenheit als zentrale Narrative der Jugend heraus, außerdem den Wunsch, „Zeit für sich selbst” zu haben und zu „chillen”. Nach der 18. Shell Jugendstudie (2019) entsteht ein Trend zu gegenseitiger Achtsamkeit und Respekt. Auch Umweltschutz, Klimawandel und Nachhaltigkeit sind zentrale Themen, sowie Angst und mentale Gesundheit, Stress und Kontrolle. 

 2. Erleben statt Erkennen

Wir leben in einer postfaktischen Gesellschaft. Absolute Wahrheit hat an Bedeutung verloren. Wahr ist für die Menschen nicht mehr, was kognitiv nachvollzogen, sondern was emotional nachempfunden werden kann – was sich richtig anfühlt eben. Das persönliche Erleben ist zentral geworden. Daran können wir anknüpfen. Der Theologe Tom Wright beschreibt, dass alle Menschen über ein inneres Streben nach Gerechtigkeit verfügen, den Wunsch nach Spiritualität verspüren, sich nach guten Beziehungen sehnen und über Kunst, Musik und Schönheit staunen. Er bezeichnet diese Empfindungen als schwaches Echo Gottes. Diese Empfindungen sind Druckpunkte, die wir finden und hinterfragen müssen. Was ist Liebe? Was gibt Bedeutung? Wenn wir in uns ein Bedürfnis entdecken, das durch nichts in dieser Welt gestillt werden kann – sind wir dann vielleicht für eine andere Welt geschaffen (vgl. C.S. Lewis)? 

 3. Individuum statt Information

Früher folgten Menschen Ideen. Heute folgen Menschen Menschen. Früher gab es Kommunisten, Feministen, Methodisten. Heute finden wir Jasmin gut, Taylor Swift, die O-Bros. Wenn wir heute von Jesus erzählen wollen, dann reicht es nicht mehr, Flyer zu verteilen, auf denen alle ‚nötigen‘ Infos dazu stehen, wie man Gott findet. Stattdessen brauchen wir Menschen, deren Leben zeigt, warum man Gott suchen sollte. Und wir brauchen eine „wahrhaft post-christliche Evangelisationsdynamik“ (Tim Keller). Wir müssen wieder lernen, über Jesus zu reden – die Person, die es wirklich verdient, dass man ihr folgt – statt über theologische Konzepte von Adam bis Amen, über die sich die Christenheit seit Jahrhunderten streitet.

 4. Authentizität statt Apologetik

Laut dem Gesellschaftstheoretiker Charles Taylor leben wir im „Zeitalter der Authentizität“. Glaubwürdigkeit ist die Währung unserer Gesellschaft und der Sozialen Medien. Mehr denn je sind wir heute herausgefordert, unseren Glauben authentisch zu leben und andere Menschen in unser Leben blicken zu lassen. Der Autor William McDonald beschreibt das so: „Das einzige Evangelium, in dem die Menschen je lesen werden, bist du.“ Das kann bedeuten, dass wir auch vor unseren nicht-christlichen Freunden offen von unseren Höhen und Tiefen mit Gott erzählen. Von Gebetserhörungen und auch von Glaubensfragen, die uns Schwierigkeiten bereiten. Das kann bedeuten, dass wir Freundeskreise zusammenbringen und zu einem Spieleabend mal die Kumpels aus der Klasse und die Freunde aus der Jugend einladen. Das kann bedeuten, dass wir das, was wir sowieso machen, mit unseren nicht-christlichen Freunden zusammen machen: Sport. Abendessen. Urlaub. In Zeiten von #nofilter und #wokeuplikethis werden Jugendliche Jesus nicht nachfolgen, wenn sie dessen Nachfolgern ihren Glauben nicht glauben. Das ist herausfordernd. Aber auch eine Riesenchance: Wo, wenn nicht in unseren Gemeinden gibt es Orte, an denen Menschen wahrhaft authentisch sein können – weil wir wissen, dass es nichts gibt, wo Gottes Gnade nicht hinkommt! 

5. Spirituell statt säkular

Das ist wohl der mutmachendste Punkt von allen. Der Philosoph Jürgen Habermas spricht davon, dass wir in einem postsäkularen Zeitalter leben: Die Menschen im Westen haben sich ihre säkulare, atheistische Welt gebaut – und dort nicht das gefunden, was sie gesucht haben. Die Sehnsucht nach Religion, vor allem nach Transzendenz, die Jahrzehnte hinter der Wissenschaft zurückbleiben musste, tritt wieder zum Vorschein. Allerdings findet gleichzeitig eine neue Engführung von Spiritualität und Religion statt. Persönliche Überzeugungen erleben in unserer pluralistischen Gesellschaft eine Neuaufwertung. Plötzlich ist es egal, ob du an Gott glaubst oder an das Spaghetti-Monster. Du darfst dich Christ nennen, auch wenn du nicht an die Bibel glaubst. Du kannst dir deine Religion basteln – und musst die der anderen stehen lassen. Als Christen stellt uns das vor eine echte Herausforderung. Unsere klassischen Schubladen (Monotheismus, Atheismus, etc.) helfen uns nicht mehr weiter. In einem derartigen Meinungspluralismus müssen wir selbst zu mündigen Christen werden und die Jugendlichen in unseren Gemeinden zu mündigen Christen erziehen, die erklären können, warum sie Jesus folgen – und nicht dem Dalai Lama, dessen Historizität wohl genauso unbestreitbar ist, wie die von Jesus Christus. Und trotzdem: Die Menschen sind (wieder) auf der Suche – und wir kennen gute Antworten.

Und jetzt? 

Die heutige Jugend denkt – anders. Wenn wir Jugendlichen von Jesus erzählen wollen, müssen wir das auch – anders tun. Blaise Pascal hat einmal gesagt: „Bring die Menschen an den Punkt, wo sie sich wünschen, das Christentum wäre wahr. Und dann zeige ihnen, dass es tatsächlich wahr ist.“ Ich glaube, darin liegt ein Schlüssel zur Gen Z. Das Evangelium ist wahr und gut. Beides ist wichtig und beides gehört zusammen. Wenn etwas gut ist, aber nicht wahr – dann ist es trügerisch. Eine Illusion. Ich will mein Leben nicht auf ein Märchen bauen. Wir brauchen Wahrheit, um handlungsfähig zu werden. Aber: Wenn etwas wahr ist, aber nicht gut – dann ist das tragisch. Dann stehen wir einer kaltherzigen Realität gegenüber, blankem Entsetzen, Alternativlosigkeit. Dann zieht uns nichts zu dieser Wahrheit, der wir am Ende trostlos ausgeliefert sind. Genau das ist aber leider das Zerrbild, das viele Menschen heutzutage vom christlichen Glauben haben, gegen den sie sich entscheiden.

Ich glaube, wir kommen aus einer Zeit, wo Christen argumentieren mussten, dass ihr Glaube kein schönes Märchen ist, keine Fantasie, die letztlich nicht stimmt. Damals mussten wir in der Evangelisation und Apologetik beim Wahr-Aspekt des Evangeliums anfangen. In der heutigen Zeit müssen wir lernen, beim gut anzusetzen, oder in Pascals Worten: Bei einer Sehnsucht und Begeisterung für Jesus. Wenn wir zeigen, wie sehr unser Glaube unseren Charakter verändert und uns zu Menschen macht, die aufrichtig lieben; wenn wir anders mit Sorgen umgehen; und wenn wir vorleben, wie genial Gottes Antworten auf die brennenden Sehnsüchte in uns sind – dann werden sich Menschen wünschen, diesen Gott auch kennenzulernen. Und wenn wir dann die Jesus als krasseste Person der Menschheitsgeschichte in den Mittelpunkt stellen und gut begründen, warum wir überzeugt sind, dass der christliche Glaube die beste Antwort auf die Frage nach Gott ist, dann werden sich Jugendliche entscheiden, diesem Gott nachzufolgen.

Ich bin sicher: Das Evangelium verändert alles. Auch heute noch. Auch Jugendliche. Und alle Methoden der Welt werden nichts daran ändern, dass es Menschen geben wird, die nicht an Jesus zu glauben. Das war bei Paulus auch so, selbst in Apostelgeschichte 17. Mich macht das traurig. Aber es macht mich auch ruhig. Wenn das Paulus passiert ist, dann ist es okay, wenn das auch bei mir so ist. Als Ausrede, mich nicht mit der Gesellschaft auseinanderzusetzen, will ich das trotzdem nicht verwenden.