Die gute Botschaft aus jedem Text 

Die gute Botschaft von Jesus dem Sohn Gottes weiterzusagen, ist die eigentliche Aufgabe jeder Predigt und jeder Andacht. Das Evangelium gehört in jede …
Die gute Botschaft aus jedem Text 

Die gute Botschaft von Jesus dem Sohn Gottes weiterzusagen, ist die eigentliche Aufgabe jeder Predigt und jeder Andacht. Das Evangelium gehört in jede Predigt. Nur wie predigt man aus jedem Text und zu jedem Anlass über das Evangelium, während man gleichzeitig den einzelnen Text ernst nehmen soll?  

Ich habe selbst schlaflose Nächte damit verbracht, mir diese Frage für meinen Predigttext zu stellen. Immerhin predigen wir ja nicht nur über Texte aus den Evangelien, sondern glücklicherweise auch über das Alte Testament, Gesetzestexte, Erzählungen, Chroniken, Psalmen, moralische Anweisungen von Paulus, Prophetien und vieles mehr. 

Wenn ich über diese Herausforderung mit Freunden und Glaubensgeschwistern ins Gespräch komme, begegnen mir manchmal oben drauf noch Missverständnisse: „Ich verstehe schon, dass das Evangelium wichtig ist, aber manchmal braucht man doch auch ‚Schwarzbrot‘.“, „Muss man nicht aufpassen, dass man damit nicht den eigentlichen Text weichspült oder nur als Sprungbrett benutzt?“. – Beide Bedenken kann ich verstehen und sie haben ihre Berechtigung. Glücklicherweise beruhen sie aber auf demselben Missverständnis darüber, was es bedeutet, das Evangelium aus jedem Text zu predigen. 

Was also meinen wir, wenn wir das Evangelium in jeder Predigt fordern? Und wie verbindet man diese Forderung mit einer textgerechten Auslegung? Im Grunde genommen geht es um einen methodischen Zweischritt. Nur wenn wir beide Schritte in unserer Auslegung vollziehen, werden wir gleichzeitig dem Text und unserem Auftrag zur Evangeliumsverkündigung gerecht.  

 

Den ursprünglichen Gedanken verstehen 

Der erste Schritt besteht darin, den ursprünglichen Sinn des jeweiligen Textes richtig zu verstehen. Das bedeutet, dass wir so gut wie möglich nachvollziehen müssen, wie die ursprünglichen Leser oder Hörer, die Erstadressaten, den Text wohl verstanden hätten. Was bedeuten die Gesetze vom Sinai für einen Israeliten zur Zeit Moses? Wie hat ein Israelit zwei oder drei Generationen später die Berichte über die Gesetzgebung wahrgenommen? Welche Botschaft hatte Jesaja für seine Hörer im 8. Jh. v. Chr.? Was haben Paulus Anweisungen fürs Abendmahl für einen griechischen Christen im römischen Reich bedeutet? 

Nur wenn wir den ursprünglichen, den Literalsinn des Textes wirklich verstehen, können wir begreifen, wie er mit dem Evangelium zusammenhängt.  

 

Die vollständige Bedeutung durch Jesus 

Im zweiten Schritt müssen wir die Bedeutung des Textes für uns im Hier und Heute reflektieren. Hier liegt der Knackpunkt für die meisten Missverständnisse. Evangeliumszentriertes Predigen bedeutet nicht, nur noch passende Texte zu nehmen oder künstlich eine neutestamentliche Botschaft in einen viel älteren Text hinein zu mogeln. Es meint; ernst zu nehmen, dass Petrus sagen kann, dass die Propheten für uns und über Christus geweissagt haben, ohne schon alles über die Bedeutung ihrer eigenen Prophetie zu wissen (1. Petrus 1,10-12); dass Jesus sagt, dass die Schriften von ihm zeugen (Johannes 5,39); dass Paulus schreibt, dass (erst!) in Christus das Geheimnis Gottes offenbart wird (Kolosser 1,24-28). Jeder Text der Bibel hat also nicht nur einen ursprünglichen Sinn, sondern erfährt seine vollständige Bedeutung erst im Kontext von Gottes großem Heilshandeln im Evangelium von Jesus von Nazareth. 

 

Ein tiefes Verständnis 

Erst wenn wir den ursprünglichen Sinn des Textes und seine Bedeutung im Licht von Jesus Christus in unseren Predigten angemessen beieinander halten, steht unsere Predigt gewissermaßen auf ihren beiden Beinen. Evangelium ohne ein Verständnis des ursprünglichen Textsinns verkommt schnell zu flachen Floskeln oder problematischen Umdeutungen der Geschichte. Eine Auslegung des ursprünglichen Sinns ohne die Bedeutung in Christus ist ein Elfmeter für gesetzliche Fehlschlüsse oder trockene Geschichtsstunden. Diese „Risiken und Nebenwirkungen“ sollen uns keine Angst machen. Wenn wir uns vor Augen malen, wie es aussieht vom Weg abzukommen, verstehen wir besser, wonach wir im Dickicht der Predigtvorbereitung suchen. Wenn wir uns darum bemühen, dann werden nicht nur unsere Predigten besser, sondern wir werden selbst erfahren, wie ein tieferes Verständnis von Gottes Heil uns im Glauben stärkt. Einige meiner ergriffensten Momente im Glauben hatte ich genau nach solchen Labyrinth-Phasen in der Predigtvorbereitung. (Dass ich in dieser Sache als ein begeisterter Anfänger zu anderen interessierten Anfängern schreibe, versteht sich hoffentlich von selbst.) 

Damit du vor deiner nächsten Predigtvorbereitung noch eine Idee bekommst, wie die Frage Sinn und Bedeutung von Bibeltexten dir beim evangeliumszentrierten Predigen helfen kann, sind hier drei Beispiele: 

 


Sinn für die Erstadressaten

Bedeutung im Licht des Evangeliums

Der Auszug aus Ägypten (2. Mose)

Die Israeliten werden daran erinnert, wie Gott sie in seiner Gnade aus der Sklaverei in Ägypten befreit hat: er übte Gericht an den Göttern Ägyptens, bewies seine Macht über sie. Er schloss einen Bund mit den Israelitten, dem sie die Treue halten sollen.

Der Exodus gibt uns ein historisches Vorbild für Gottes viel größere Befreiungstat: In Jesus befreit Gott sich sein Volk aus der Sklaverei der Sünde, übt Gericht an dieser Welt, demonstriert seine Macht über den Tod und ruft jeden Menschen zur Rückkehr in die Treue zu ihm.

David gegen Goliat (1. Samuel 17)

Weil Gott über den Ausgang von Schlachten und Königreichen entscheidet, gewinnt eher ein gottesfürchtiger Hirtenjunge gegen einen Elitesoldaten, als ein König, der über sein Militär seinen Gott vergessen hat. Die Israeliten sollen lernen, sich auf Gott und nicht auf ihren Staat zu verlassen.

So wie Gott in David die Israeliten vor Goliat gerettet hat, rettet uns in Jesus, der wahre König David, vor dem Feind, den wir nie hätten besiegen können: Sünde und Tod.

Psalm über den Gesalbten auf Zion (Psalm 2)

Ein Psalm, der den Vorzug des israelitischen Königs gegenüber allen anderen Königen besingt, weil er von Gott erwählt ist und daher als sein Sohn gilt.

Ein prophetischer Psalm, der uns Worte gibt, um Jesus, den ewigen König auf Zion und leibhaftigen Sohn Gottes, zu loben. Auf ihn trifft erst in vollem Umfang zu, was der Psalm über den israelitischen König in der Sprache seiner Zeit gesungen hatte.