7 mal fällt der Gerechte

Wir tragen alle das Potential des Versagens in uns. Und das hat auch Auswirkungen auf unseren Dienst für Gott. Wie gehen wir im Mitarbeiterkreis mit Versagern um?
7 mal fällt der Gerechte
Das muss Konsequenzen haben. So jemand kann nicht weiter Mitarbeiter sein!

Ich erinnere mich noch gut an die Diskussionen in unserem Mitarbeiterkreis. Carsten war ein Mann mit Prinzipien. Deshalb hatte er auch konkrete Vorstellungen davon, wie ein Mitarbeiter zu sein hatte. Wer sie nicht erfüllte, hatte in unserem Kreis nichts zu suchen. Schließlich sind Mitarbeiter Vorbilder.

Ich war eher der Diplomat und versuchte zu vermitteln. Junge Mitarbeiter sind oft in einer schwierigen Doppelrolle: Auf der einen Seite sind sie Vorbilder für die anderen Jugendlichen der Gruppe. Auf der anderen Seite stecken sie selber noch mitten in einer Entwicklung. Das betrifft nicht nur ihr geistliches Wachstum sondern auch biologische Prozesse und die Persönlichkeitsentwicklung im Ganzen. Ist es da nicht verständlich, dass auch mal etwas „schief geht“.

Eine zweite Chance?

Wenn man in die Zeit der ersten Christen schaut, dann gab es ähnliche Probleme. So verlässt zum Beispiel Johannes Markus der Mitarbeiter von Barnabas und Paulus in Pamphylien das gerade erst ausgesandte Missionsteam (Apostelgeschichte 13,13). Aus welchem Grund er den Rückzug antritt wird nicht verraten. Für den Apostel Paulus ist die „Akte Markus“ damit jedenfalls abgeschlossen. Als Barnabas zu Beginn der zweiten Missionsreise vorschlägt, dem jungen Mann eine zweite Chance zu geben, ist Paulus empört.

Diese Meinungsverschiedenheit führt schließlich zur Trennung der bewährten Arbeitsgemeinschaft zwischen Paulus und seinem Mentor Barnabas. Jeder bildet von nun an sein eigenes Team. Interessant ist, dass die Bibel an dieser Stelle keine Wertung vornimmt. Wer hatte denn nun „Recht“?

Später bekommt der Leser dann nebenbei mit, dass Johannes Markus auch für Paulus ein nützlicher Mitarbeiter ist. Und nicht zuletzt verdanken wir ihm das Markusevangelium. Offensichtlich hat sich die Mühe des Barnabas um seinen Neffen gelohnt.

Unbefriedigender Lerneffekt

Bereits ein paar Jahrzehnte früher hatte es Jesus mit seinen Schülern auch nicht ganz leicht. In Matthäus 14 stehen die Jünger ratlos vor Tausenden Menschen und fordern ihren Lehrer auf: Entlass die Volksmengen, dass sie hingehen in die Dörfer und sich Speise kaufen! Jesus aber sprach zu ihnen: Sie haben nicht nötig wegzugehen. Gebt ihr ihnen zu essen! Sie aber sagen zu ihm: Wir haben nichts hier als nur fünf Brote und zwei Fische. (Matthäus14,13-21)

Was dann folgt wird gemeinhin als das Wunder der Speisung der 5000 bezeichnet.

Kurze Zeit später eine ähnliche Begebenheit: Diesmal sind es „nur“ 4000 Männer, aber das Reaktionsschema der Jünger ist dasselbe: Als Jesus aber seine Jünger heran gerufen hatte, sprach er: Ich bin innerlich bewegt über die Volksmenge, denn schon drei Tage harren sie bei mir aus und haben nichts zu essen; und ich will sie nicht hungrig entlassen, damit sie nicht etwa auf dem Weg verschmachten. Und seine Jünger sagen zu ihm: Woher nehmen wir in der Einöde so viele Brote, um eine so große Volksmenge zu sättigen? Und Jesus spricht zu ihnen: Wie viele Brote habt ihr? Sie aber sagen: Sieben, und wenige kleine Fische. (Matthäus 15,32-39)

Zweimal fast die gleiche Situation. Und der Lerneffekt? Gleich Null.

Frustriert?

Nur zwei Kapitel später berichtet Matthäus: Und als sie zu der Volksmenge kamen, trat ein Mensch zu ihm und fiel vor ihm auf die Knie und sprach: Herr, erbarme dich meines Sohnes! Denn er ist mondsüchtig und leidet arg; denn oft fällt er ins Feuer und oft ins Wasser. Und ich brachte ihn zu deinen Jüngern, doch sie konnten ihn nicht heilen. Jesus aber antwortete und sprach: Oh ungläubiges und verkehrtes Geschlecht! Bis wann soll ich bei euch sein? Bis wann soll ich euch ertragen? Bringt ihn mir her! (Matthäus 17,14-21)

Also: Jesus kam auch an den Punkt, an dem seine Geduld mit den Jüngern nur noch an einem seidenen Faden hing. Allerdings hat er nie gesagt: „Genug jetzt, ich suche mir neue Mitarbeiter!“

Wenn es um den Menschen geht – egal ob Christ oder nicht, ob Mitarbeiter oder nicht, ob Apostel oder nicht, dann ist die Bibel schonungslos ehrlich: Wir tragen alle das Potential des Versagens in uns. Wir alle sind zu sehr viel fähig. Zu Unglauben (und welches Versagen beruht nicht auf Unglauben?), zu Heuchelei, zu grenzenlosem Egoismus. Und das hat auch Auswirkungen auf unseren Dienst für Gott.

Es ist gut, diese Beispiele im Hinterkopf zu haben, wenn wir uns Gedanken machen, wie wir mit Versa- gern umgehen.

Verschiedene Ebenen

Versagen in der Mitarbeit gibt es auf verschie- denen Ebenen. Hier ein paar Beispiele:

Die Bibelarbeit verlief total chaotisch. – Jemand hat versagt, weil er eine Aufgabe nicht so gut ausgefüllt hat wie es notwendig gewesen wäre. Wenn ich keine Lust habe, komme ich nicht zur Jugendstunde oder zum Mitarbeitertreffen. – Manchmal besteht das Versagen darin, dass ich meine eigenen Wünsche zu wichtig nehme. Unzuverlässigkeit nennt man das. Ein Mitarbeiter vernachlässigt sein geistliches Leben. – Bei diesem Versagen dauert es in der Regel einige Zeit, bis die anderen es mitbekom- men. Eine Mitarbeiterin ist mit einem Freund zusam- men, der kein Christ ist. – Ein Fall von Versagen auf ethischem Gebiet. Gerade in diesem Bereich ließen sich unendlich viele Beispiele anfügen.

Beim Lesen der Beispiele merkt man sofort: Versagen ist nicht gleich Versagen. Und: Wir ordnen die einzelnen „Fälle“ verschieden ein. Manche wiegen (für uns) schwerer als andere. Es wäre einmal in- teressant zu überlegen, warum wir manche dieser Dinge Sünde nennen und andere nicht.

Konkrete Schritte

  • Grundsätzlich gilt: Fehler und Versagen sind keine Katastrophe, sondern Möglichkeiten etwas daraus zu lernen. Nur wer nichts tut, macht keine Fehler. (Oder doch?!)
  • Gott will, dass wir etwas lernen! Gott will Wachs- tum, deshalb reicht es nicht, wenn wir über eine bestimmte Situation oder einen Mitarbeiter ein (vielleicht richtiges) Urteil fällen und dann die Akte zuklappen.
  • Frage dich als Leiter zuerst: Habe ich meine Verantwortung ernst genommen? Habe ich das Teammitglied ausreichend begleitet? Vielleicht ist hier schon eine erste Ursache zu finden: Wir sind zwar ein tolles Orga-Team aber keine echte geistliche Gemeinschaft, in der sich jeder für den anderen verantwortlich fühlt.
  • Danke dem Mitarbeiter für den geleisteten Ein- satz. Nicht alles was er gemacht hat war schlecht, oder?
  • Sucht gemeinsam nach Ursachen für die Panne. Und denkt daran: Gott will, dass der Versager wieder auf die Beine kommt.
  • Ist die Ursache mangelnde Begabung, dann überlegt, ob a) ein anderer Mitarbeiter diese Aufgabe übernimmt oder b) der Mitarbeiter sei- ne Fähigkeiten erweitert, indem er mit anderen zusammen arbeitet oder sich Kompetenzen an- eignet (z.B. durch eine Schulung).
  • Ist die Ursache ein Mangel im der Beziehung zu Jesus, dann überlegt auch, wie ihr ihm helfen könnt. Gebet und seelsorgerliche Begleitung durch euch oder erfahrenere Christen sind zwei Möglichkeiten.
  • Motiviert zum Weitermachen. Das bedeutet nicht unbedingt Weitermachen wie bisher. Aber zumindest Weitermachen im Leben mit Jesus. Möglicherweise kann der Mitarbeiter nach einem offenen Bekenntnis weiter im Team dabei sein, vielleicht tut ihm eine Auszeit gut. Auf alle Fälle sollte er nicht sich selbst überlassen bleiben.
  • Wenn jemand ständig unmotiviert und unzu- verlässig ist, dann kann es sinnvoll sein, ihn von der Mitarbeit zu suspendieren. Vielleicht sollte er zunächst zeitweise zurücktreten. Aber auch hier ist es wichtig, gemeinsam nach den Ursachen zu fragen: Liegt es an der Zusammenarbeit im Team, am Leitungsstil, an Misserfolgen, an der privaten Lebenssituation oder am persönlichen geistlichen Leben?
  • Lebt ein Mitarbeiter in Sünde und will sich nicht korrigieren, dann muss das Konsequenzen haben. Niemand von uns ist frei von Versagen. Aber ein Mitarbeiter muss bereit sein Sünde zu- zugeben und zu lassen! Wer hier Kompromisse eingeht, riskiert negative Auswirkungen auf die ganze Gruppe.

Schließlich: Zwischendurch immer mal an Johannes Markus denken. Denn das Beispiel zeigt:

Gott kann mit Versagern immer noch eine Menge anfangen.