Wie wir uns als Frauen (in einer Brüdergemeinde) manchmal fühlen
Uns begegnen viele Frauen: Auf Freizeiten, beim STEPS Ladies WE oder in unseren Gemeinden. Dieser Text wurde auf Grundlage zahlreicher Gespräche und einer Umfrage des STEPS Ladies Teams verfasst. Die Ergebnisse, Eindrücke von Unterhaltungen und unsere eigenen Erfahrungen haben wir gebündelt und interpretiert.
Über die „Frauenfrage“ sind schon viele Bücher geschrieben worden. Das ist keins davon. Wir wollen hier keine theologische Position zur Frauenfrage präsentieren, sondern einfach – so ehrlich wir können – einen Einblick geben, wie es uns geht.
Einige wichtige Bemerkungen vorab: Uns ist bewusst, dass wir nicht für alle Frauen sprechen. Und uns ist bewusst, dass nicht alles auf jede Gemeinde zutrifft. Trotzdem haben wir festgestellt, dass (zu) viele von uns Frauen vor ähnlichen Herausforderungen stehen: Gerade diejenigen, die nicht dem Stereotyp „Frau“ entsprechen (sondern Persönlichkeiten oder Begabungen haben, die mit dem „klassischen“ Rollenbild unserer Gemeinden kollidieren) kämpfen mit ähnlichen Problemen.
Dieser Text kostet uns Mut. Wir haben Angst abgestempelt zu werden; missverstanden zu werden als Frauen, die ihre Wünsche über biblische Wahrheiten stellen. Dem ist nicht so. Aber: Wir haben Fragen. Und wir wünschen uns Veränderung. Wir schreiben diesen Text in der Hoffnung, dass bewusster wird, was auf dem Spiel steht. Wir schreiben ihn, weil es manchen von uns wirklich nicht gut geht in unseren Gemeinden. Und wir schreiben ihn, weil wir uns nach der Schönheit sehnen, von der wir ahnen, dass Gott sie in das Miteinander von Mann und Frau gelegt hat – und wir darunter leiden, dass unsere Gemeinderealität diese Schönheit manchmal nicht gut widerspiegelt.
Also, wie geht es uns?
1. Wir sind verunsichert
Als Frauen in (Brüder-)gemeinden stehen wir unter zahlreichen Spannungen: Prägung, Elternhaus, Persönlichkeit, verschiedene gemeindliche Strömungen, persönliche Erfahrungen, gesellschaftliche und kulturelle Entwicklungen – überall werden wir mit verschiedenen Positionen zur „Frauenfrage“ konfrontiert. Alle Seiten zerren an uns. Das verunsichert.
Wir sehnen uns danach, Frauen nach Gottes Herzen zu sein – aber ehrlich gesagt wissen wir manchmal nicht, was das konkret bedeutet. Was will Gott wirklich von uns? Wie hat Gott sich Frau-Sein gedacht – und wo verwechseln wir in unseren Gemeinden (veraltete) kulturelle Rollenbilder mit biblischen Geschlechterbildern? Warum fühlt sich Frausein – im Vergleich zu Schule, Uni, Arbeitsplatz – nirgends so „unfrei“ an, wie in unseren Gemeinden? Lassen wir uns leichtfertig vom Zeitgeist blenden? Oder (so kommt es uns manchmal vor): Ziehen unsere Gemeinden Grenzen, obwohl Freiheit da wäre? Suchen wir Sicherheit in einem praktischen schwarz-weiß-Denken und bleiben auf der „sichereren Seite“ der engen Grenzen – manchmal auf Kosten der Frauen?
Uns verunsichert auch: Unsere Gemeinden reagieren auf diese Spannungen mit vielen „spannenden“ gemeindeinternen Regelungen. Lieder wünschen in der Gemeindestunde geht nicht, außer auf der Gemeindefreizeit. Im Hauskreis ist Beten okay, im Gebetskreis nicht. Teenkreis halten ist erlaubt, Jugend nicht. Und so weiter: Jede Gemeinde könnte hier ihre eigenen Bruchlinien einsetzen. Wir beobachten, dass die „Frauenfrage“ dadurch fast synonym wird zur Frage „Darf ich das?“. Dürfen Frauen auf dem Zeltlager Andachten halten, auch wenn sie es in ihrer eigenen Jugend nicht tun? Dürfen sie in der Jugend eine Kleingruppe leiten? Dürfen sie beim Gästegottesdienst ihr Zeugnis teilen... und falls ja: mit oder ohne Bibelvers, der sie geprägt hat? Manchmal definiert sich sogar unsere Gemeinderichtung darüber, dass Frauen bei uns nicht predigen, moderieren, beten, Lieder wünschen, etc... dürfen.
Diese „Darf ich...?“-Mentalität durchdringt unser Denken und unseren Dienst als Frauen und sie verunsichert und blockiert uns. Wir hinterfragen uns ständig selbst, ob das, was wir jetzt getan haben, vielleicht doch schon nicht mehr okay war. Und wir beobachten: Selbst wenn nach langem Beratungsprozess entschieden wurde, dass etwas für eine Frau „okay“ oder „erlaubt“ ist, fühlen wir uns innerlich oft nicht frei, es zu tun. Denn etwas dürfen ist noch lange nicht sollen – und wir wollen ja eben keine Rebellinnen sein, die sich so nah wie möglich an irgendeine Grenze drängen. Wie wir von diesem Darf-ich-Denken wegkommen – wir wissen es nicht. Aber wir halten diese Mentalität für keinen guten, göttlichen Ansatz für unser Miteinander und wir wünschen uns Veränderung.
2. Wir werden übersehen
Unsere Gemeinden fassen unser Rollenverständnis oft in zwei Grundsätzen zusammen: (1) Männer und Frauen haben verschiedene Aufgaben und Rollen von Gott zugeordnet bekommen, (2) haben aber den gleichen Wert. Das lehren wir in der Theorie – in der Praxis fühlt es sich oft nicht so an. In der Praxis fühlen wir uns oft übersehen und schlichtweg minderwertig: Die „Frauenfrage“ wird auf drei Bibelstellen reduziert, die Rolle der Frau durch Verbote definiert. Das Gefühl, das Jesus den Frauen seiner Zeit vermittelt haben muss, den besonderen Wert, den er ihnen trotz gesellschaftlicher Konventionen zugestanden hat – kennen wir aus unseren Gemeinden kaum.
Uns ist wichtig: Es geht uns nicht darum, unser komplementäres Geschlechterverständnis über den Haufen zu werfen. Es geht uns darum, aufzuzeigen, dass wir es manchmal nicht gut leben. Wir sind überzeugt: Ihr schätzt uns Frauen wirklich. Aber wir wünschen uns, dass ihr seht, wie oft uns (bewusst oder unbewusst, aus Überzeugung oder strukturell und systemisch) das Gefühl vermittelt wird, dass unsere Meinung in theologischen und gemeindepraktischen Fragen nichts oder weniger wert ist. Dieser Eindruck entsteht vor allem dann, wenn in der Brüderstunde an Gemeindefragen gearbeitet wird und gerade Single-Frauen kaum Einblick oder Mitspracherecht in die Entwicklung der Gemeinde bekommen; wenn mehr über uns diskutiert als mit uns gesprochen wird; wenn Männer geschult werden, gute Andachten zu halten, und Frauen nicht eingeladen werden (weswegen die meisten Frauenarbeiten kaum geschulte Referentinnen aus unseren Kreisen finden); und wenn Zukunfts- und Visionsfragen der Gemeinden ausschließlich mit den „jungen Brüdern“ geträumt werden: Ja, in diesen Momenten fühlen wir uns nicht wirklich als gleichwertig gesehen und geschätzt, es kommt uns so vor, als würden der Charakter, die Begabungen und die Einsatzmöglichkeiten von Männern mehr zählen.
3. Wir werden bewertet (und verurteilt)
Eine Frau, die in unseren Gemeinden einen Dienst übernimmt, der für manche in einen „Graubereich“ gehört, fällt auf. Gerade extrovertierten und lauteren sowie leitungs- und lehrbegabten Frauen geht es so. Wir werden beobachtet, bewertet und schnell abgestempelt – als „Rebellin“ oder „Feministin“, die die Bibel nicht ernst nimmt und sich nicht mit den Diensten zufriedengeben will, die sie tun „darf“. Wir spüren diese urteilende Haltung: Wer als Frau auf unseren Freizeiten eine Andacht hält, muss sich danach (fast) jedes Mal auf Gespräche über die „Rolle der Frau“ gefasst machen – und sie spricht jedes Mal in dem Wissen, dass Zuhörer dabei sind, die sie verurteilen. Übrigens erleben wir: Die Haltung und Bewertung uns Frauen gegenüber ist dort lockerer, „wo es keinen Mann gibt, der es macht“ – oder bei Single-Missionarinnen im Ausland.
Wir leiden unter dem hohen Stellenwert, den die „Frauenfrage“ in unseren Gemeinden einnimmt. Wir sind die unzähligen Diskussionen leid (und sehen gleichzeitig keinen anderen Weg zur Veränderung, als Dinge zu thematisieren). Wir leiden darunter, dass uns die Bibeltreue abgesprochen wird, wenn wir vorne stehen, wenn wir Fragen drüber haben, wie Gott sich Mann und Frau gedacht hat und wie unsere Gemeinden die entsprechenden biblischen Aussagen interpretieren. Wir leiden darunter, abgestempelt zu werden, wenn wir aktiv werden. Wir leiden darunter, an einem Frauenbild gemessen zu werden, von dem wir erahnen, dass er nicht unbedingt dem biblischen Rollenbild entspricht.
4. Wir werden hingehalten
Die Frage vom Miteinander der Geschlechter ist eine komplizierte Frage. Das wissen wir. Aber wir erleben auch, dass sie unseren Gemeinden zu kompliziert erscheint. Unsicherheit und Angst führen oft dazu, dass die Frauenfrage „vertagt“ wird, Leitungsteams nach 5 Jahren Diskussion immer noch keine Entscheidung getroffen haben oder am liebsten den Status Quo beibehalten: Man will niemanden verlieren über die Frauenfrage. Man hat Angst, dass Männer nicht mehr beten, wenn man den Frauen das Beten gestattet; dass Mitglieder die Gemeinde verlassen, wenn Frauen plötzlich „mehr“ dürfen. Für uns fühlt sich das manchmal so an, als würde man uns hinhalten. Als würde man die Bedürfnisse von jedem anderen über unsere stellen, jeden mitnehmen wollen in Veränderungsprozessen – und dabei im Stillstand die Frauen vergessen, die unter der aktuellen Situation leiden.
Außerdem haben wir als Frauen nicht den Luxus, diese Fragen aufschieben zu können. Die „Frauenfrage“ ist für uns mehr als ein theologisches Rätsel, das es zu knacken gilt. Zum einen, weil wir uns durch unsere Taten und Entscheidungen positionieren: Wir müssen zu- oder absagen, wenn wir für eine Andacht im Teenkreis angefragt werden, für Tätigkeiten als Referentinnen. Und weil die Fragen einfach zu tief mit unserer Identität verwoben sind: Das halten wir auf Dauer nicht aus: Wir Frauen sind irgendwie immer ein Problem, Gegenstand einer unendlichen Debatte – nicht, weil wir uns falsch verhalten haben, sondern quasi per Geburt. Natürlich rüttelt das an unserem Selbstbild und Selbstwert – zu sehr zumindest, als dass wir dauerhaft gut in einem Zustand des Vertröstet-Werdens leben können.
ES STEHT VIEL AUF DEM SPIEL
Wir wollen festhalten: Wir sind dankbar für unsere Gemeinden, dankbar für tiefe Beziehungen zu vielen geistlichen Männern und Frauen aus unseren Reihen, dankbar für Spannungen, die ihr mit uns aushaltet, dankbar, wo ihr mit uns um Antworten ringt. Und wir sind froh über Frauen, die mit diesen Fragen nicht ringen, zufrieden sind mit ihrer Rolle, Vorbilder im Dienen und Lieben.
Aber in den Situationen, in denen wir uns verunsichert, übersehen, verurteilt, in Stereotype gedrängt oder vertröstet fühlen, würden wir uns wünschen, gesehen zu werden. Wir wünschen uns, wirklich zu erleben, was es heißt „Miterbinnen der Gnade“ zu sein. Uns würde es so gut tun zu hören, dass unsere Stimme gebraucht wird. Zu erleben, dass ihr euch hinter uns stellt, statt uns ins Kreuzverhör zu nehmen. Dass ihr das Thema mutig angeht, Veränderung fördert, uns fragt, wie es uns damit geht. Und manchmal würde uns einfach schon das Eingeständnis trösten, wie herausfordernd das Thema ist und dass euch leidtut, wo ihr uns übersehen habt.
Uns ist bewusst, dass es kompliziert ist. Dieser Text ist kein Plädoyer für klarere Grenzen (von dieser „Darf-ich-Mentalität“ wollen wir weg), und unser Ziel ist nicht, alle Spannungen aufzulösen: sondern sie (besser) zu gestalten. In diesem Prozess wollen wir Frauen unsere Herzen vor Gott stillen, aushalten, wo Veränderung langsamer geht, als wir uns das wünschen. Uns hinterfragen, wo es uns heimlich doch um Selbstverwirklichung geht. Wir wollen Buße über Bitterkeit tun.
Aber wir wollen euch auch sehr bitten: Lasst uns diese Themen angehen. Wenn wir diese Fragen nicht klären, werden die Brüdergemeinden immer mehr die Frauen verlieren, die unter der aktuellen Situation leiden – ihre Begabungen und Charaktere werden Leerstellen hinterlassen. Wenn wir diese Fragen nicht angehen, verpassen wir als Gemeinden die Chance, mitten im Kampf der Geschlechter, der in der Gesellschaft tobt, Orte der Heilung und des erlösten Miteinanders zu sein – stattdessen werden Gäste den unterschwelligen Geschlechterkampf in unseren Gemeinden wahrnehmen. Und: Ohne einen besseren Umgang mit der „Frauenfrage“ werden wir immer weiter Kleinkriege führen und uns aufspalten – weil wir nicht aushalten, dass andere Gemeinden zu anderen Ergebnissen kommen oder unsere eigene Gemeinde Praktiken ändert. Es steht viel auf dem Spiel – also: lasst uns investieren!
Das ist ein herausforderndes Thema und ein herausfordernder Text – für alle Seiten. Falls du Feedback hast, deine persönlichen Erfahrungen mit uns teilen willst, oder dich über diesen Text ärgerst, dann melde dich bitte direkt bei uns – unter info@365steps.de .