Wie viel Gefühl ist ok?
„Warum bist du so traurig, meine Seele? Warum stöhnst du so verzweifelt?“ Das Problem mit der Gefühllosigkeit Für manche Christen spielen Gefühle keine …
„Warum bist du so traurig, meine Seele? Warum stöhnst du so verzweifelt?“
Das Problem mit der Gefühllosigkeit
Für manche Christen spielen Gefühle keine große Rolle. „Unser Mund, der ist voll Jubel!“ – wie es in einem alten Lied heißt: Aber unser Gesicht ist dabei ganz ernst. Manche Christen können von der Freude singen, ohne sich dabei wirklich zu freuen. Positive Emotionen werden dann gedämpft. Und negative Emotionen werden gleichzeitig aus frommen Gründen unterdrückt: „Auch wenn deine Oma gestorben ist: Gott hat dich nicht vergessen. Sei dankbar für das, was du hast.“ Klingt heftig? Sagen wir aber oft. Und es ist gut gemeint. Das Problem dabei ist aber, dass wir manchmal den Eindruck vermitteln, dass ein guter Christ niemals weint, auf keinen Fall wütend wird und keine Angst hat. Erstens stimmt das nicht. Und zweitens führt das dazu, dass wir unsere Emotionen hinter einer perfekten Fassade verstecken müssen, und das macht uns von innen kaputt.
Unsere „geistliche Gefühllosigkeit“ gipfelt dann manchmal in dem Statement: „Glaube ist kein Gefühl, sondern eine Entscheidung!“ Ich weiß, was dieser Satz sagen soll: „Mach deinen Glauben nicht von deinen Gefühlen abhängig, denn die sind manchmal schwankend und irreführend; halte stattdessen fest an der Entscheidung, die du für Gott getroffen hast.“ Das ist gut und richtig. Aber so, wie der Satz da steht, ist er einfach falsch. Er ist falsch, weil er eine Verkürzung darstellt – eine Verengung auf den Verstand. Wir glauben in unseren Herzen, schreibt Paulus in Römer 10,9. Unser Herz – so wird dieser Begriff in der Bibel benutzt – ist das Zentrum der Persönlichkeit. Der Ort, an dem die Entscheidungen getroffen werden. Hier begegnen sich Verstand, Wille und Gefühle. Wir glauben in unseren Herzen. Wir glauben mit Verstand, Wille und Gefühl. Wir glauben mit Verstand, Wille und Gefühl. Deswegen kann ich nicht Glaube und Gefühle gegeneinander ausspielen.
Das Problem mit den Gefühlen
Aber wie kommt es, dass einige Christen so große Probleme mit Gefühlen haben? Wahrscheinlich, weil Christen manchmal auf der anderen Seite vom Pferd fallen. Oft machen sich Menschen abhängig von ihren Gefühlen: Wenn sie am Morgen in aller Frühe gebetet und in der Bibel gelesen haben, dann fühlen sie sich gut. Wenn sie wenige Stunden später die Mathearbeit mit einer glatten 6 in die Tasche stecken müssen, sind sie am Boden zerstört. Wenn alles im Leben glatt läuft, dann fühlen sie sich Gott nah. Und wenn Schwierigkeiten kommen, dann scheint Gott ganz weit weg.
Dazu kommt, dass Gefühle auch in bestimmten Situationen stimuliert werden können. Beim gemeinsamen Lobpreis mit einer tollen Band und tausend Jugendlichen fühlt man sich Gott manchmal sehr nah – aber alleine zu Hause scheint Gott ganz weit weg. In einer aktuellen Studie steht, dass die Inhalte, also „die Semantik der Lobpreislieder das Bild der Jugendlichen von Gott mehr geprägt hat als die Bibel“ (Generation Lobpreis, S. 120). Da ist etwas dran, oder? Gefühle sind tatsächlich dann problematisch, wenn wir uns zu stark von ihnen abhängig machen oder ohne Stimulation unserer Gefühle unseren Glauben kaum noch leben können.
Ein guter Umgang mit Gefühlen
Zu wenig und zu viel Emotion – beides ist irgendwie gefährlich. Wir brauchen einen guten Mittelweg. Die große Frage ist jetzt: Wie sieht ein guter Umgang mit Gefühlen aus? Ich möchte dir zwei Tipps mitgeben:
1. Sprich ganz offen mit Gott über alle deine Gefühle
Kommen wir zum Liederdichter von Psalm 42 zurück. Ich finde seine Aussagen wirklich faszinierend! Er schreibt zu Gott: „Warum nur hast du mich vergessen? Warum muss ich so traurig meinen Weg gehen, bedrängt von meinen Feinden!“ Ganz offen spricht er hier über seine Gedanken und Gefühle und bringt sie zu Gott. Er hält nichts zurück und frisst nichts in sich hinein. Er weiß: Gott ist ein Gott, dem man mit allen Gefühlen begegnen kann. Er hält selbst die Frage nach dem „Warum“ aus. Und das möchte ich auch lernen: Mit allem, was ich bin und fühle kann und will ich zu Gott kommen.
2. Lass deine Gedankenwelt und dein Gefühlsleben von Gott prägen
Aber da endet der Psalm noch nicht: Der Dichter spricht noch zu seiner Seele: „Warte nur zuversichtlich auf Gott! Denn ganz gewiss werde ich ihm noch dafür danken, dass er mir sein Angesicht wieder zuwendet und mir hilft. Ja, er ist mein Gott.“ Das finde ich ganz spannend. Er spricht zu seiner Seele. Er erinnert sich an die Fakten und entscheidet sich, an ihnen festzuhalten: „Ja, er ist mein Gott!“ Und auch das möchte ich lernen: Auch wenn ich Lobpreislieder mag – ich möchte, dass mein Bild von Gott durch die Bibel geprägt wird. Ich möchte mich von den Fakten der Bibel leiten lassen, mich daran erinnern und an ihnen fest- halten, auch dann, wenn meine Gefühle mal etwas anderes sagen. Ich wünsche mir, dass dadurch sowohl meine Gedankenwelt als auch mein Gefühlsleben von Gott geprägt werden.