Wie ich meine Jugendlichen richtig kritisiere

Dieser Artikel soll dir als Hilfestellung und Anregung in deiner Mitarbeit dienen, um dich in diesem sehr herausfordernden Thema in der Jugendarbeit zurechtzufinden.
Wie ich meine Jugendlichen richtig kritisiere

„Hey Alex, hast du mal ein paar Minuten? Ich würde gerne mit dir über ein Thema sprechen. Was denkst du, wie dein Verhalten gegenüber den Mädels bei ihnen ankommt?“ Einer meiner persönlichen Endgegner in meiner Arbeit mit jungen Erwachsenen ist definitiv das Thema „Kritik“. Auch nach mehreren Jahren Erfahrung in diesem Bereich wird mir vor Gesprächen solcher Art flau im Magen. Wie wird mein Gegenüber reagieren? Wird es Jenny in ihrer Beziehung zu Gott helfen oder sie abstoßen? Ähnliche Situationen werden dir in der Jugendarbeit auch begegnen. Kritisierende Gespräche können das Verhalten von Jugendlichen betreffen, durch das sie andere in der Gruppe verletzen, oder auch einen Segen darstellen. Kritik ist per Definition ergebnisoffen. Möglicherweise gibt es Bereiche im Leben der Jugendlichen, die für ihr geistliches und charakterliches Wachstum korrigiert werden müssen. Aufgaben, die sie übernommen haben, können konstruktives Feedback erfordern, um ihnen die nächsten Schritte aufzuzeigen. Nicht nur negatives Feedback muss geübt sein, auch positive Rückmeldungen fallen schwer, denn „nicht gemotzt“ ist eben auch nicht genug gelobt. Dabei ist spielentscheidend, ob ihr als Leitungsteam eure Jugendlichen kritisieren könnt. 

Gott beschreibt geistliche Leiter in der Bibel oft als Hirten. Die Hirten beschützen die ihnen anvertraute Gruppe vor destruktiven Einflüssen und Verhaltensweisen. Sie fördern persönliches Wachstum in der Beziehung zu Jesus und investieren sich in das Leben der Jugendlichen. Das ist auch deine Berufung, weil Jesus deine Jugendlichen liebt und für sie gestorben ist. Deine Kritik kann einen viel größeren positiven Einfluss auf ihr Leben haben, als dir bewusst ist.


Dein Mindset als Kritiker

Jesus zeigt uns besonders durch Paulus, welchen Effekt Kritik haben soll. Paulus verwendet häufig das griechische Verb „parakaleo“. Der Sprachschlüssel der Elberfelder Studienbibel schreibt dazu: „Es wird für jede Art benutzt, eine Person zu rufen, um eine bestimmte Wirkung zu erreichen; trösten, ermahnen, ersuchen […]“. Die gleiche Tätigkeit übt der Heilige Geist als Beistand, Tröster oder Fürsprecher (parakletos) für jeden Nachfolger Jesu aus (Johannes 14,16). Auch du kannst für deine Jugendlichen ein Beistand, Tröster und Fürsprecher sein. Je nach Kontext wird das Verb in der Bibel besonders oft als „ermahnen“ oder „ermutigen“ übersetzt. Kritik dient nicht dazu, jemanden fertig zu machen oder Frust rauszulassen, sondern soll die Liebe Gottes zu der Person widerspiegeln. Eine liebevolle Kritik hat daher verschiedene Ziele. Diese Ziele sind zwei Seiten einer Medaille und sollten sich immer ergänzen.

1) Ermahnung (s. 1. Thessalonicher 4,10): Was muss die Person verändern? Wo muss falsches Verhalten abgelegt, Sünde bekannt oder auch ein Vorgehen überdacht werden? Welche Auswirkungen hat das Verhalten oder die Haltung der Person auf andere Menschen und sich selbst?

2) Ermutigung (s. 1. Thessalonicher 4,18): In welchem Bereich sollte die Person weiter durchziehen? Was läuft super und ist ein Segen für sie selbst und andere? Wie kannst du deine Jugendlichen wertschätzen? 

Liebevolle Kritik sollte die Jugendlichen letztendlich motivieren, in jedem Bereich ihres Lebens für Jesus zu leben. 


Praktische Umsetzung in deiner Jugendarbeit

Liebevolle, konstruktive Kritik passiert in der Regel nicht einfach. Du musst dich bewusst dafür entscheiden. Folgende praktische Hinweise können dir dabei eine Hilfe sein.

Liebevolle Kritik geschieht

  • Zur richtigen Zeit: Kritik, die voraussichtlich einen starken emotionalen Einfluss auf deine Jugendlichen hat, benötigt Zeit. Gib deinem Gegenüber die Möglichkeit, das Gesagte angemessen zu verarbeiten und Nachfragen zu stellen, sowohl an dich als auch an sich selbst. Du drückst Wertschätzung aus, indem du dir Zeit nimmst, anstatt zum nächsten Programmpunkt zu hetzen. Der zeitliche Abstand des Gespräches zum auslösenden Ereignis sollte außerdem nicht zu groß sein, damit die Situation allen Beteiligten möglichst präsent ist. Wenn du aber auf einen perfekten Augenblick wartest, dann wartest du meistens umsonst. 

  • Am richtigen Ort: Der Rahmen des Gespräches sollte vertraulich sein. Suche dir einen ruhigen Ort, an dem es keine Mithörer gibt, damit sich dein Gegenüber für dein Anliegen öffnen kann. Auch eine längere Autofahrt eignet sich für Deeptalk, aber behalte im Hinterkopf, dass dein Gesprächspartner sich in diesem Fall nicht zurückziehen kann.

  • Im richtigen Tonfall: Deine Art und Weise der Kommunikation zeigt deinem Gegenüber, ob er dir wirklich wichtig ist und ob du ihn wertschätzt. Du möchtest ihn nicht fertig machen, sondern für Jesus gewinnen und motivieren. Sei aber auch direkt und klar, damit er dein Anliegen und auch die möglichen destruktiven Auswirkungen auf sein Umfeld versteht und eine bewusste Entscheidung über mögliche Konsequenzen treffen kann. 

  • In der richtigen Dosierung: Jemand, der seine erste Andacht hält, muss nicht alle deine Verbesserungsvorschläge für eine perfekte Predigt hören. Auch Jesus hat während der dreijährigen Ausbildung seiner Schüler unterschieden, was sie wann ertragen konnten. Beginne idealer Weise erst beim zweiten Mal mit negativer Kritik. Wenn möglich hebe zeitgleich hervor, auf welche Art und Weise dein gegenüber zum Segen für andere geworden ist. 

  • Unter richtig viel Gebet: Du bist nicht allein. Du bist im Auftrag des Königs unterwegs, und sein Geist will dir in diesem schwierigen Gespräch zur Seite stehen. Gott hat dir im Jakobus-Brief Weisheit versprochen, wenn du ihn bittest. Bitte Gott um Liebe für deine Jugendlichen und um ein authentisches Gespräch. Betet zusammen als Jugendleitung für Gespräche, die anstehen. 

Stell dich Gott mutig zur Verfügung. Selbst wenn du unzufrieden aus einem Gespräch kommst, sei dir bewusst, dass er es nach seinem Willen gebrauchen wird. Nimm dir aber auch Zeit zum Reflektieren, was du beim nächsten Mal verändern kannst.