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Gewissen

Was, wenn mein Gewissen falsch geprägt ist?

Dieser Artikel gibt dir einen Überblick, welche Gefahren hinter dem Gewissen stecken und wie du gut damit umgehen kannst.

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30. Juni
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7 min
Dushyant Patel 4z S07ht Fjde Unsplash

Was, wenn mein Gewissen falsch geprägt ist?

Hatschi! Meine Nase fängt an zu laufen und meine Augen tränen. Mein Immunsystem schlägt Alarm und währt sich mit allen Mitteln; dabei umschwirren mich gerade gar keine fiesen Viren, sondern harmlose Pollen. Eigentlich ist unser Immunsystem dafür da, dass böse Erreger erkannt und abgewehrt werden, damit unser Körper nicht zerstört wird. Und in der Regel funktioniert das auch ganz gut. Aber wenn harmlose Dinge wie Pollen schon als „böse“ eingestuft werden… tja, dann nennt man das eine Pollenallergie und dann gehe ich beim Spaziergang über die Wiese lieber doch nicht mit meinen Freunden mit, sondern bleibe zuhause sitzen.

Ein Immunsystem für unsere Seele

Was das Immunsystem für unseren Körper leistet, das tut unser Gewissen für geistliche Dinge. Es beurteilt und bewertet Handlungen. Und stehen wir in der Gefahr, etwas Böses zu tun, schlägt es Alarm. So wie Gott uns für den täglichen Kampf gegen Krankheiten ein Immunsystem in unseren Körper installiert hat, so hat er für den täglichen Kampf gegen die Sünde ein Gewissen in unser Herz installiert (vgl. Römer 2,15). Es schlägt Alarm, wenn wir kurz davorstehen, einer Versuchung nachzugeben und etwas zu tun, was Gott hasst. Und es belastet uns, wenn wir in Sünde gefallen sind und wird nicht ruhig, bis wir es lange genug ignoriert haben (das nennt die Bibel ein „verhärtetes Gewissen“ – ein tragischer Zustand, vgl. 1.Tim 4,2) oder aber die Sünde vor unserem Herrn Jesus offengelegt und Vergebung empfangen haben. Aber was ist, wenn mein Gewissen Alarm schlägt, obwohl keine geistliche Gefahr droht?

Geistliche Allergie

Ich persönlich bin in einem Gemeindeumfeld groß geworden, das viele Christen von außen als konservativ bezeichnen würden. Dabei geht es mir hier nicht um die zentralen Wahrheiten unseres Glaubens – also das Verständnis von der Bibel, von Jesus Christus und von der Rettung. Hier konservativ (also bewahrend) zu sein, halte ich für super wichtig. Und ich bin Gott so dankbar, dass ich hier als Kind gut geprägt wurde. In diesem Artikel geht es mir um „theologische Randfragen“, die aber in unserem Alltag eine große Rolle spielen. Ein paar Beispiele:

  • Ich habe christliche Rockmusik früher heimlich und mit schlechtem Gewissen gehört. Ich war so geprägt, dass Rock grundsätzlich „vom Teufel“ ist. Trotzdem haben mich gerade die harten Genres sehr gereizt.
  • Wenn ich als Jugendlicher mit meinen Gemeidefreunden unterwegs war und jemand sich ein alkoholisches Getränk bestellt hat, habe ich das innerlich stark verurteilt. Ein Christ sollte sich bei Alkohol zurückhalten – das war meine klare Position.
  • Ich hatte eine ablehnende Haltung gegenüber dem Tanzen.
  • Für meine weiblichen Bekannten aus der Gemeinde war die Frage der Kleidung (Rock oder Hose?) lange Zeit ein heißes Thema.

Wie kann es sein, dass Dinge, die an sich nicht „böse“ sind, trotzdem heftige Alarmreaktionen des Gewissens auslösen können? Paulus macht deutlich: Es hängt mit meiner Prägung (er benutzt den Ausdruck „bisherige Gewöhnung“ in 1. Korinther 8,7) zusammen. Mein Eindruck ist: Wie Kinder, die in einer extrem hygienischen und sterilen Umgebung großwerden, häufiger Allergien zeigen, so tauchen auch in „christlichen Bubbles“, die sich mehr um die Abgrenzung als um gelebte Nächstenliebe in der Welt kümmern, häufiger übersensible bzw. schwache Gewissen auf. Aber wie gehe ich damit um, wenn ich nun mal ein falsch geprägtes Gewissen habe? Ich möchte im Folgenden 3 Gefahren bei einem übersensiblen Gewissen aufzeigen. Danach werde ich 3 Good News-Statements setzen und dann ganz praktische Steps anbieten.

Gefahr 1: Gegen mein Gewissen handeln

Stell dir vor, ich halte es für eine Sünde, wenn man als Christ Alkohol trinkt. An einem geselligen Abend sitze ich in einer Runde mit Christen, die es offensichtlich anders sehen: Sie öffnen eine Weinflasche, reichen auch mir ein Weinglas und wir stoßen an. Ein innerer Kampf tobt in mir. Innerlich von Zweifeln verunsichert setze ich trotzdem das Glas an die Lippen und trinke. Was ist die Folge? Ich habe mich vor Gott versündigt. Die anderen nicht. Paulus nennt das Trinken von Wein explizit als eines der „Gewissensthemen“ (Römer 14,21) und macht deutlich: „Wer aber dabei zweifelt und dennoch isst [oder trinkt – Ergänzung des Autors], der ist gerichtet, denn es kommt nicht aus dem Glauben. Was aber nicht aus dem Glauben kommt, das ist Sünde.“ (Römer 14,23). Es ist wie mit einer Erdnuss-Allergie. Erdnüsse sind nicht giftig. Wer aber allergisch ist, muss wegen einer Erdnuss schon ins Krankenhaus. So bietet ein falsch geprägtes Gewissen größere Angriffsfläche für den Versucher und fordert von mir ein höheres Maß an Disziplin, damit ich mich nicht versündige.

Gefahr 2: Verurteilen von Geschwistern

Christen, die sich mehr Freiheiten gönnen, stehen in der großen Gefahr, konservativere Geschwister zu verachten. Umgekehrt stehen Christen, die viele Alltagsfragen deutlich strenger sehen, in der Gefahr, andere zu verurteilen (vgl. Römer 14,3). In diese Falle bin ich oft getappt. Mit einem Naserümpfen und Stirnrunzeln habe ich innerlich mein Urteil über „die anderen“ gefällt. Paulus verurteilt diese Herzenshaltung scharf: „Wer bist du, dass du einen fremden Knecht richtest?“ (Römer 14,4a)

Gefahr 3: Selbstgerechtigkeit

Die größte Gefahr einer Prägung auf besonders strenge Regeln ist die Selbstgerechtigkeit. Paulus warnt die Kolosser davor. Er ruft ihnen zu: „Lasst euch kein schlechtes Gewissen machen wegen Essen oder Trinken oder wie bestimmte Feiertage zu halten sind!“ (vgl. Kolosser 2,16ff.)  Er macht deutlich, dass solche Regeln von außen besonders fromm scheinen können, aber in Wahrheit nur unser Ego füttern (V. 23). Am Ende verlieren wir den Blick dafür, wie abhängig wir von der Gnade Jesu sind (V. 19). Christus hält uns fest bei sich – nicht unsere Disziplin im Regeln-Einhalten. Ein falsch geprägtes Gewissen kann uns im Extremfall so pushen, bloß „immer alles richtig“ zu machen, dass wir unser eigener Messias sein wollen und an dem Evangelium der Gnade vorbeileben.

Was hilft mir nun, wenn ich merke, dass ich durch meine Prägung ein schwaches Gewissen habe? Ich möchte dir zunächst 4 Statements von der Bibel her zeigen, die dir Mut machen.

Good News 1: Gott liebt Christen mit einem schwachen Gewissen

Paulus redet viel über das Thema eines schwachen Gewissens – aber worum geht es ihm da hauptsächlich? Dass Gläubige mit einem schwachen Gewissen sich „nicht so anstellen sollen“? Nein! Er schützt sie, indem er starke Gläubige, die mehr Handlungsoptionen haben, auffordert, fröhlich und freiwillig in kritischen Momenten auf ihre Freiheiten zu verzichten. Damit drücken sie die Liebe aus, die Jesus besonders für diejenigen hat, die verletzlicher sind. Du darfst wissen: Jesus liebt dich und hat einen besonderen Blick für deine geistliche Situation.

Good News 2: Es geht uns allen gleich.

Wenn du feststellst, dass dein Gewissen sich nicht zu 100% mit Gottes Willen in der Bibel deckt, dann darfst du wissen: So geht es allen Christen. Du bist kein Sonderfall. Auch dein Bruder und deine Schwester aus der „freieren“ Ecke der Gemeindelandschaft sitzen im selben Boot. Wir alle müssen unsere Sinne und unser Mindset unser Leben lang verändern lassen, damit wir immer besser prüfen können, was Gott wirklich von uns will (vgl. Römer 12,2). Der Einzige, der ein perfektes Gewissen hatte, war unser gemeinsamer Herr und unser großes Vorbild Jesus Christus. Ihm wollen wir alle immer ähnlicher werden.

Good News 3: Unterschiedliche Ansichten sind ok!

Es ist so befreiend, wenn wir endlich begreifen: In den Randfragen des Glaubens ist es ok, unterschiedliche Meinungen zu haben! Es gibt sie tatsächlich – diese nebensächlichen Fragen, in denen es kein „richtig“ und „falsch“ gibt. Das sehen wir in Römer 14,22, wo Paulus uns ans Herz legt: „Den Glauben, den du hast, behalte bei dir selbst vor Gott.“ Das bedeutet: Ich muss meine Haltung zur Rockmusik, zum Tannenbaum, zum Vegan-Leben, zu Tattoos usw. anderen nicht unter die Nase reiben. Ich darf bei Diskussionen also tatsächlich sagen: „Das sehen wir unterschiedlich. Und wir gehören trotzdem in Jesus Christus zusammen.“ Wir brauchen Einheit in den zentralen Glaubensfragen – und ein weites Herz in den Nebensachen.

 

Wenn du nun merkst, dass du von deiner Prägung her ein schwaches Gewissen hast, helfen dir diese Schritte zu einem reifen Christsein:


Step 1: Lies die Bibel. Viel. Und selbst.

Unsere Gewissen müssen an Gottes Wort geeicht werden. Das ist ein lebenslanger Prozess. Und das geht nicht ohne Zeit mit Gottes Wort. Je mehr du über Gottes Worte nachdenkst, desto mehr wird das dein Denken neu prägen. Hör Gottes Wort nicht nur aus zweiter Hand, sondern lies regelmäßig selbst darin.

Step 2: Wähle deine Inputs weise.

Was du dir regelmäßig reinziehst, prägt dich. Nichts beeinflusst dein Gewissen so sehr, wie deine regelmäßigen Gewohnheiten. Deshalb überlege dir gut, welchen Predigern, Podcasts, Influencern, Büchern usw. du dich öffnest. Bitte Gott um gute, geistliche Vorbilder.

Step 3: Sei Teil einer bibeltreuen, evangeliumszentrierten Gemeinde

Die Gemeinschaft von Christen, in der du dich bewegst, wird dein Handeln beeinflussen. Wähle deine Gemeinde nicht nach Musik-Style, Anzahl von Leuten oder Internetauftritt. Die zentrale Frage ist, ob in der Gemeinde das Evangelium von Jesus Christus gelehrt und gelebt wird.

Step 4: Nimm dir Zeit für deine Fragen.

Bist du dir unsicher, ob etwas für dich ok ist oder nicht? Dann tue es nicht, bis du durch Beschäftigung mit Gottes Wort und im Gespräch mit reifen Christen Klarheit und Überzeugung gewonnen hast. Es braucht geistliche Erkenntnis, damit unser Gewissen sich neu prägen lässt (vgl. 1.Kor 8,7). Nimm dir darum Zeit, deine konkrete Frage in Ruhe und mit Gebet anzugehen. Das bedeutet auch: Wenn ich mir unsicher bin, ob ich als Christ Bier trinken darf, dann ist der gesellige Abend mit Freunden, die mir eine Flasche in die Hand drücken, der falsche Zeitpunkt, um diese Frage zu klären. Dann ist es weise, abzulehnen und sich bald darauf mit der Frage in Ruhe zu beschäftigen. Wenn ich mir nicht sicher bin, ob Christen einen Tannenbaum aufstellen dürfen, sollte ich die Frage nicht am 23. Dezember klären, sondern besser im August.

Step 5: Stehe zu deinen momentanen Gewissensgrenzen

Es mag sein, dass du manche Dinge zu streng oder verklemmt siehst. Du reagierst geistlich auf harmlose Dinge wie ein Allergiker auf Pollen. Es ist super hilfreich zu wissen, dass Gott unseren Wunsch, ihm gehorsam zu sein und unsere Sehnsucht nach einem reinen Gewissen ehrt. Er liebt es, wenn du aus Liebe zu ihm heraus „Nein“ sagst – selbst wenn es objektiv nichts Falsches gewesen wäre. Deshalb stehe zu deinen Gewissensgrenzen, auch wenn deine Freunde sich mehr Freiheiten erlauben. Mach dir bewusst: Auch dein Gewissen wird heiliger, je mehr du in der Heiligkeit wächst. Es ist sehr wahrscheinlich, dass du in ein paar Jahren zu bestimmten Fragen eine andere Meinung haben wirst. Aber deine momentanen Gewissensgrenzen sind die Grenzen, die in deinem Glauben vor Gott gelten (vgl. Römer 14,22-23).