Wie du deinen Jugendlichen zu einem gesunden Medienkonsum helfen kannst
Dieser Artikel gibt dir einen Einblick in das Thema Medienkonsum, wie du damit umgehen kannst und welche praktischen Tools dir helfen können.
Daddeln bis der Doktor kommt
Gerade, während ich diesen Artikel schreibe, will ich nur kurz auf TikTok was „nachschauen“. Nix. Nix. Nix. DA – ein lustiges Video. Zehn Minuten später finde ich mich lachend bei einem anderen Video wieder. Was ich damit sagen will: Ich muss mir beim Thema Medienkonsum selbst an die Nase fassen. Es geht bei diesem Thema generell nicht nur um 13-Jährige, die Fortnite zocken und den ganzen Tag TikTok nutzen. Wenn ich im Wartezimmer sitze und eine Mutter desillusioniert ins Handy schaut, statt sich mit dem daneben sitzenden Kind, das um Aufmerksamkeit ringt, zu beschäftigen, haben wir auch in der älteren Generation definitiv ein Problem mit dem Thema Medienkonsum. Auch wir als Erwachsene sollten unseren eigenen Medienkonsum kritisch hinterfragen, bevor wir über die „jungen Leute“ und deren Probleme reden.
Medienkonsum hat viele Facetten – wir kratzen hier nur an der Oberfläche. Trotzdem ist das Thema enorm relevant, weil übermäßiger Medienkonsum nicht nur unsere Beziehungen zu anderen, sondern auch unsere persönliche Gottesbeziehung belasten kann.
Mediensucht nur ein Resultat.
Aus einer neuen Studie der DAK geht hervor, dass in Deutschland Millionen von Kindern und Jugendlichen Probleme durch Medienkonsum haben.[1] Laut den Wissenschaftlern hat sich die Mediensucht auf einem hohen Niveau eingependelt und ist innerhalb von fünf Jahren deutlich gestiegen. Ein Viertel der 10- bis 17-Jährigen nutzen soziale Medien problematisch, darunter gelten 4,7 % als abhängig. Dabei sind Jungen mit sechs Prozent fast doppelt so oft betroffen wie Mädchen (3,2 Prozent). Das sind alarmierende Zahlen. Und trotzdem ist nicht jeder sofort abhängig und süchtig. Allerdings kann man aus wissenschaftlicher Sicht sagen, dass soziale Medien einen negativen Einfluss auf Kinder und Jugendliche haben. Tatsächlich geben bisher alle Studien, die Hand und Fuß haben, eine klare Antwort: Bildschirmmedien schaden. Ja, richtig – Bildschirmmedien, nicht nur TikTok und Co. Bei einer Studie haben Jugendliche zum Beispiel stärker auf Likes reagiert als Erwachsene – sowohl wenn sie viele bekommen als auch, wenn es wenige gibt.[2] Bei den Erwachsenen waren die Gefühlsschwankungen nicht so stark wie bei den Jugendlichen. Hinzu kommt, dass die Auswirkungen von Social Media auf Erwachsene noch nicht ganz erforscht sind, da die Datenlage nicht so gut ist.
Also halten wir fest: Medien – insbesondere soziale Medien – haben auf Kinder und Jugendliche einen negativen Einfluss. Aber gerade die von Gen Z und Gen Alpha am meisten genutzten Plattformen wie TikTok und Instagram unterscheiden sich nochmal grundlegend vom normalen Fernsehprogramm. Denn diese Apps arbeiten besonders geschickt, um die Nutzungszeit oben zu halten. Durch lustige und interessante Videos wird das Belohnungssystem im Gehirn angesteuert und stimuliert. Dabei wird Dopamin ausgeschüttet – ein Botenstoff, der auch als „Glückshormon“ bekannt ist. Dopamin spielt im Körper eine zentrale Rolle bei der Steuerung unserer emotionalen, geistigen und motorischen Reaktionen. Es wird immer dann vermehrt ausgeschüttet, wenn wir etwas als anregend oder belohnend empfinden – zum Beispiel beim Sport, Sex, beim Genuss eines leckeren Essens oder auch beim „Daddeln“.
Der Konsum von Videos auf Plattformen wie Instagram und TikTok kann somit eine vermehrte Dopaminausschüttung auslösen. Da wir diesen „Kick“ immer wieder erleben möchten, spielt Dopamin auch bei der Entwicklung von Suchtverhalten eine bedeutende Rolle. Genau deshalb sind diese Apps besonders für Kinder und Jugendliche so attraktiv – und gleichzeitig so wirkungsvoll. Die ständige Aktivierung des Dopaminsystems durch das Scrollen ist daher heikel. Zwar sorgt es kurzfristig für ein gutes Gefühl, langfristig kann das System jedoch abstumpfen.
Umgang
Das Thema betrifft uns als Gesellschaft im Allgemeinen, aber natürlich auch uns als Gemeinden. Denn die Kinder und Jugendlichen sitzen bei uns in der Jungschar, im Teeniekreis, in der Jugendstunde und vielleicht auch in der Sonntagschule. Und wahrscheinlich hat jeder, der in einer Gruppe mitarbeitet, schon die Auswirkungen im realen Leben an der ein oder anderen Stelle beobachten können. Ich glaube, dass es echt sehr wichtig ist, eine vertrauensvolle Beziehung zu den Jugendlichen aufzubauen, damit sie wissen, dass sie mit ihren Problemen nicht allein sind und in der Jugend Ansprechpartner haben. Denn ein übermäßiger Medienkonsum ist meistens nur die Spitze des Eisbergs. Auslöser für einen übermäßigen Medienkonsum können Probleme in der Familie, Probleme in der Schule, Flucht vor der Realität, mangelndes Selbstbewusstsein sein. Junge Männer bekommen momentan viel auf Instagram gezeigt, wie sie echte Hustler – also „Macher“ – werden sollen. Männlichkeit wird dabei gleichgesetzt mit Erfolg, Macht, Geld und einem perfekten Adoniskörper. In ihrer Unsicherheit darüber, wer sie sind und sein möchten, werden sie geprägt. Doch genau das sind die Maßstäbe, von denen Paulus uns auffordert uns nicht leiten zu lassen: „Und richtet euch nicht nach den Maßstäben dieser Welt, sondern lasst euch von Gott verändern, damit euer ganzes Denken neu ausgerichtet wird. Nur dann könnt ihr beurteilen, was Gottes Wille ist – was gut und vollkommen ist und was ihm gefällt.“
– Römer 12,2
Wenn ich mich nicht konzentrieren kann, immer abgelenkt werde, im Wartezimmer nicht einfach nur mal da sitzen kann und immer Musik oder eine Serie nebenher laufen lassen muss, während ich etwas anderes mache, dann wird es mir wahrscheinlich auch schwerfallen, mit Gott zu reden und meine Beziehung zu ihm zu pflegen. Am Ende wird auch unsere Gottesbeziehung darunter leiden. Und das ist herausfordernd – weil wir da aus eigener Kraft oft nicht weit kommen. Deshalb müssen wir immer wieder um Hilfe bitten, dass wir durch den Heiligen Geist Weisheit und Kraft bekommen, besonders da, wo wir merken, dass wir uns gerade stark von außen beeinflussen lassen und anfällig sind.
Ich will damit auf keinen Fall sagen: „Schmeißt euer Handy weg!“ Auch wenn das vielleicht für manche eine Zeit lang hilfreich wäre – langfristig ist das keine Lösung. Vielmehr geht es darum, einen mündigen, reflektierten Umgang mit Medien zu lernen. In dem Rahmen, den wir in der Gemeindearbeit mit Kindern und Jugendlichen haben, können wir ihnen dabei helfen, genau in diesem gesunden Umgang zu wachsen. Wir sind nicht die Erziehungsberechtigten und haben auch auf viele Dinge wenig Einfluss. Aber indem wir ehrlich sind, von unseren Problemen erzählen und wie wir damit umgehen, schaffen wir Räume, wo wir ehrlich sein können – ohne Verurteilung. Ich bin der Überzeugung, dass wir auch auf diese Fragen und Probleme der Gesellschaft eine richtig gute Antwort haben: das Evangelium.
Jesus will uns von Dingen freimachen, die uns festhalten und versklaven. Nun sind wir vielleicht noch nicht alle gleich Süchtig, aber dennoch nehmen diese Dinge viel Raum in unserem Leben ein, das man sich fragen muss, wo steht da meine Gottesbeziehung, wo stehen da meine Freundschaften? Und dabei geht es dann nicht mehr nur um Medien, sondern um alle Lebensbereiche Arbeit, Sport, Geld, Hobbys…
Praktische Challenges für eure Gruppen
1. Offline-Zeit bewusst gestalten
Ständige Benachrichtigungen lenken uns ab und reißen uns aus dem Moment. Schon das Ausschalten von Tönen und Vibrationen kann helfen, wieder mehr im Hier und Jetzt zu sein. Geht noch einen Schritt weiter: Wie wäre es mit einer gemeinsamen „Digital-Detox“-Woche? Kein TikTok, keine Games, kein Insta – stattdessen gemeinsam raus, eine Radtour starten oder zusammen Sport treiben. Bewegung macht nicht nur den Kopf frei, sondern sorgt – ganz wie Social Media – für eine ordentliche Portion Dopamin. Nur eben gesünder. Eine 30 km Fahrradtour kann ziemlich glücklich machen!
2. Bildschirmzeit gemeinsam reduzieren
Setzt euch als Gruppe ein tägliches Zeitlimit für Apps. Viele Smartphones bieten die Möglichkeit, Nutzungszeiten pro App oder App-Gruppe einzuschränken – bei iOS z. B. kann man mehrere Apps unter ein gemeinsames Limit stellen. So überlegt man sich zweimal, ob man jetzt lieber auf YouTube oder Instagram scrollt. Das fördert einen bewussteren Umgang mit Medien – und ihr motiviert euch gegenseitig, dranzubleiben.
3. Abenteuer erleben & Gemeinschaft stärken
Plant Aktivitäten, bei denen ihr raus in die Natur kommt – z. B. ein gemeinsames Camping-Wochenende. Lasst die Jugendlichen ihr Essen selbst zubereiten, Feuer machen, Zelte aufbauen. Dabei merken sie schnell: Die reale Welt hat genauso viele Herausforderungen und Abenteuer zu bieten wie ein Computerspiel – nur echter. Probleme gemeinsam lösen, Hindernisse überwinden und zusammen lachen – das schweißt zusammen. Und selbst das Zusammenpacken eines Quechua-Zelts kann zur echten Team-Challenge werden.
Weiterführende Links zum Thema
Hier findest du hilfreiche Websites und Angebote rund um das Thema Mediensucht, Mediennutzung
Mediensuchthilfe.info
Eine der umfassendsten und meiner Meinung nach einer der besten Seiten zum Thema Mediensucht. Sie richtet sich sowohl an Betroffene als auch an Angehörige und bietet interaktive Informationsangebote:
- Was ist eine Sucht?
- Ab wann spricht man von Sucht?
- Selbsttests zur Selbsteinschätzung
- Beratung und Hilfe
Elternratgeber-Internet.de
Ein echtes Goldnugget. Die Seite der Bundespsychotherapeutenkammer bietet anschauliche und gut strukturierte Infos:
- Allgemeine Empfehlungen für Eltern
- Schwerpunktartikel (z. B. zu TikTok, Gaming oder Schulproblemen)
- Erfahrungsberichte von Eltern und Jugendlichen
Angebote für Eltern
- klicksafe.de
Offizielle EU-Initiative für mehr Sicherheit im Netz – mit Tipps, Schulungsmaterial und Elternratgebern. - Spieleratgeber NRW
Pädagogisch fundierter Überblick zu digitalen Spielen. Einschätzungen, Empfehlungen und Filtermöglichkeiten. - bupp.at
Österreichische Plattform zur Bewertung und pädagogischen Einordnung digitaler Spiele – für Eltern Hilfe zur Orientierung. - Elternguide.online
Begleitung von Kindern bei der Nutzung von Apps, Spielen, Webseiten und Social Media – praxisnah und alltagstauglich. - medien-kindersicher.de
Technischer Jugendmedienschutz leicht gemacht – Anleitungen für Kindersicherungen, Geräteeinstellungen und Tools.
Für Mitarbeitende in der Kinder- und Jugendarbeit
- bluprevent.de – Mediensucht Präventions-Bundle
Fertige Materialien zur Präventionsarbeit mit Jugendlichen.
Angebote für Kinder und Jugendliche
- Chris – Christliches Sorgentelefon
Ein offenes Ohr für junge Menschen, die nicht weiterwissen. – Telefon, WhatsApp, Mail - Selbsttest: Alles noch „Just For Fun“?
Bin ich schon süchtig oder nutze ich Medien noch im gesunden Rahmen? Mit diesem Fragebogen bekommst du erste Anhaltspunkte – ehrlich und anonym.