Spannungen in Gottesbildern

Schon als Fünfjähriger wusste ich, dass sie uns nicht alles erzählten. Im Kindergottesdienst – andere nannten es „Sonntagschule“ – hörte ich die Geschichte …
Spannungen in Gottesbildern

Schon als Fünfjähriger wusste ich, dass sie uns nicht alles erzählten. Im Kindergottesdienst – andere nannten es „Sonntagschule“ – hörte ich die Geschichte von David und Goliat. Es begeisterte mich, dass der kleine David den großen Goliat besiegte. Auch die Eroberung von Jericho war eine spannende Geschichte, in der viel kaputt ging.

Doch niemand erzählte uns die ganze Geschichte. Niemand sagte uns, dass David Goliats Schwert nahm und ihm den Kopf abschlug, um diesen anschließend als Trophäe mitzunehmen. Niemand sagte, dass die Phrase „mit der Schärfe des Schwertes“ bedeutete, dass Männer, Frauen und Kinder mit stumpfen Schwertern erstochen wurden. Sätze wie: „Das ganze Heer der Ägypter ertrank im Meer.“ erzeugten eher Erleichterung als Trauer über den grausamen Tod.

Heutzutage werden Massaker vor einem Kriegsgericht verhandelt. Damals wurden sie teilweise von Gott angeordnet. Wie passt dieses Bild von Gott zum Psalm 23? Wie passt die Aufforderung zur Ermordung eines Ehebrechers[1] zur gnädigen Behandlung einer Ehebrecherin[2]? Warum mussten Hananias und Saphira sterben, obwohl sie doch Christen waren, denen Gott alles vergibt?

Wie schon gesagt, diese Details wurden im Kindergottesdienst verschwiegen – und das ist auch gut so. Doch man wird älter. Als Jugendlicher trifft man dann auf unterschiedliche Bibelstellen und Gottesvorstellungen, die nicht miteinander vereinbar scheinen.

Umgang mit unterschiedlichen Gottesbildern

Die unterschiedlichen Gotteserfahrungen lassen eine Spannung entstehen, die einige nicht aushalten und dem Glauben den Rücken kehren. Andere entkräften diese Spannung, indem sie die „scheinbaren Widersprüche“ wegreden. Dabei wird versucht, gegensätzliche Gotteserfahrungen zu vereinbaren. Der Vorteil davon ist, dass wir ein „sauberes“ Bild von Gott bekommen. Anhand dieser Vereinigung von Erfahrungen und Offenbarungen können wir Gott beschreiben und Aussagen darüber treffen, wie er ist. Doch Genau das ist das Problem.

Gott im Bild

Interessant ist, dass Gott ein ganzes Gebot dafür verwendet, um zu sagen: „Du sollst dir kein Gottesbild anfertigen.“ (2. Mose 20,4)

Bilder sind immer vollendet. Man kann sie einrahmen, mitnehmen und weitergeben. Genau deshalb wollen wir Christen uns ein Bild von Gott machen. Wir wollen ihn eingrenzen, um sagen zu können, wie er ist, was er macht, was er nicht ist und was er nicht macht. Wir wollen ein Bild von ihm haben, um ihn an jeden Ort mitnehmen zu können. Wir wollen ein Bild von Gott, um Anderen sagen zu können, wie er ist. Und doch steht das Gebot: Du sollst dir kein Gottesbild anfertigen – auch nicht in deinen Gedanken.

un-fassbar

Alle Erfahrungen, die wir mit Gott machen oder von denen wir in der Bibel lesen, lassen nur Rückschlüsse zu. Niemals können wir Gott an einzelnen Erfahrungen festmachen. Er ist komplexer als wir es verstehen können – und es manchmal wahrhaben wollen.

Manche Erfahrungen und Vorstellungen lassen sich nicht vereinen. Dies ist kein Grund zum Zweifeln, sondern zum Staunen. Manchmal müssen wir Bilder von Gott nebeneinander stehen lassen, um keine falschen Rückschlüsse zu ziehen. Doch wenn wir anfangen zu begreifen, dass die Erfahrungen von biblischen Personen Offenbarungen Gottes sind, wenn wir erkennen, dass Gott nicht abzuzeichnen ist, dann beginnen wir größer von ihm zu denken.

Ab-Bilder Gottes

Paradoxerweise verbietet Gott uns Bilder von ihm zu machen und selber macht er es – als er dich und mich schuf. Gott schuf dich mit dem Gedanken des Abbildes. Sein Plan ist es, dass du ein Abbild Gottes bist. Gleichzeitig bist du es nicht alleine. Jeder Gläubige, der in der Abhängigkeit Gottes lebt, wird in ein Abbild des unsichtbaren Gottes[3] verwandelt.

Mit deinem Leben bist du das beste Bild, was du von Gott für deine Freunde zeichnen kannst.


[1] 3. Mose 20,10

[2] Johannes 8,7

[3] 2. Korinther 3,18