Pornografie ist der Normalfall 

Warum wir unseren Jugendlichen nicht helfen können, wenn wir das Grundproblem hinter Pornografie vergessen.
Pornografie ist der Normalfall 

In den letzten zehn Jahren habe ich erlebt, dass christliche Jugendarbeit große Fortschritte im Umgang mit dem Problem Pornografie gemacht hat. Jugendmitarbeiter sind sich der Allgegenwärtigkeit bewusst und in den meisten Fällen selbst bereits Teil der Generation, die mit Internet, Smartphones und Pornos aufgewachsen ist. Trotzdem gibt es weiterhin Aspekte, über die sich das Nachdenken lohnt. Einer, der mir aktuell relevant erscheint, ist der folgende: Pornografie ist der Normalfall, nicht die Ausnahme - und zwar nicht nur statistisch gesehen.

Was heißt hier „normal“?

Pornografie ist insofern der Normalfall, als dass Sünde der Normalfall für Menschen diesseits von Eden ist. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes „nichts Besonderes“, wenn in Gesellschaften, in denen Pornografie so leicht zugänglich ist, Scharen von Menschen diese Möglichkeit wahrnehmen. Ein König David musste noch aufs Dach steigen, um Batseba zu sehen. Für uns reicht heute ein Griff zum Smartphone. Menschen sind Sünder, und Sünder sündigen. Das sollte uns nicht überraschen.


Ein Kernelement der christlichen Sündenlehre ist, dass wir nicht glauben, dass schlechte Menschen sündigen, sondern dass alle Menschen sündigen. Es ist eine Besonderheit der Christen, dass sie danach streben, mehr zu dem zu werden, was sie durch Jesus Heilstat bereits im Verborgenen sind: heilig. 

Dieses christliche Verständnis von Sünde ist wichtig, wenn wir über Pornografie (und andere Sünden) reden, damit wir in der richtigen Weise über sie reden. Tun wir das nicht, sind wir im besten Fall keine Hilfe und im schlimmsten Fall Teil des Problems. 


Wenn Gemeinden das Problem (ungewollt) noch schlimmer machen

Eine Schwierigkeit, die wir als christliche Gemeinden im gemeinsamen(!) Kampf um Heiligung immer wieder haben ist, dass wir Probleme ungewollt verschlimmern. Das passiert dann, wenn wir über Sünden wie über Tabus reden. Wir wollen vor bestimmten Dingen warnen, aber vergreifen uns im Ton, so dass Betroffene keine Hilfe bekommen, sondern sich stattdessen beschämt und isoliert fühlen. Im schlimmsten Fall laden wir damit die Scham, die sie ohnehin schon fühlen, noch geistlich auf, so dass sie sich nicht einmal mehr zu Gott trauen. Damit helfen wir dann aber nur noch der Sünde und nicht dem Menschen. 


Scham ist etwas anderes als Reue. Reue hilft uns zurück zu Gott zu kommen und führt uns ins Licht. Reue ist die richtige Reaktion auf Sünde und bringt Heilung. Scham hingegen drängt Menschen tiefer in die Schatten und Einsamkeit.  Scham hindert daran, sich Hilfe zu holen. Scham entmutigt und lässt Menschen den Kampf aufgeben. Scham ist keine Hilfe. Es ist Teil des Problems. Tatsächlich ist Scham ein wesentlicher Bestandteil von allen Süchten, der Heilung für Menschen so schwer macht. Das gilt insbesondere auch für Pornografie.

Damit stellt sich uns als Jugendleitern die Frage: Wie können wir unseren Jugendlichen wirklich helfen, den Kampf mit der Pornografie aufzunehmen und in ihm bestehen zu können?

Pornografie den Kampf ansagen - ganz entspannt 

Von Paulus können wir lernen, wie man Christen im Kampf gegen die Sünde wirklich hilft. Er demonstriert uns in seinen Briefen immer und immer wieder, wie man Sünde ernst nehmen kann, ohne sie so zu überhöhen oder zu tabuisieren, dass Menschen zu Zweifel und Verzweiflung getrieben werden, statt zu Gott und zur Heiligung. 


Das vielleicht beste Beispiel für unseren Fall ist Paulus’ Umgang mit den Korinthern in 1.Korinther 6,12-20. In der Gemeinde dort gab es offensichtlich ein Problem mit Prostitution.  Was für uns heute kaum vorstellbar klingen mag war damals tatsächlich gar nicht so besonders. Es gehörte zum gesellschaftlichen Alltag in den oberen Schichten Korinths, dass bei größeren Festmählern auch Prostituierte nach dem Essen zur Verfügung standen. Der Sex mit ihnen galt gemeinhin auch nicht als Ehebruch. Ähnlich wie Pornografie heute war Sex mit Prostituierten eine gesellschaftlich legitimierte Sünde. Ein Normalfall. 


Von Paulus Reaktion können wir lernen. Er bagatellisiert die Sünde nicht, sondern erklärt klar, warum solches Verhalten für Christen keine Option ist. Es passt nicht zu Menschen, die vom Schöpfer des Universums freigekauft und mit ihm vereint worden sind (Vers 20). Aber gleichzeitig zeigt er keine Spur von Panik oder Schock. Er bleibt ruhig und setzt ganz klar voraus, dass diese Menschen trotzdem Christen sind, die zu Christus gehören. Er stellt sie nicht in eine gesonderte Ecke der besonders schlimmen Sünder in der Gemeinde und beschämt sie gegenüber allen anderen Christen in Korinth. Paulus weiß, wie verbreitet Prostitution in seinem Kontext ist und kann damit umgehen. Seine Ermahnungen sind seelsorgerlich, gerade wenn man sie mit 1.Korinther 5 vergleicht. Paulus ist durch und durch Realist.  


Genau so müssen wir mit unseren Jugendlichen  über Pornografie sprechen, wenn wir ihnen wirklich helfen wollen. Der Kampf gegen die Sünde ist für uns als Christen ja eine ständige Realität. Wenn wir über Pornografie wie über eine Tabu-Sünde reden, dann suggerieren wir unseren Jugendlichen, dass ihr Kampf nicht normal wäre. Dabei ist „Kampf“ genau die Metapher, die Hebräer 12 für Heiligung gebraucht. So lange wir auf dieser Erde sind, kämpfen wir als Erlöste darum, das zu werden, was wir in Jesus schon sind. Wir wehren uns gegen die Sünde, die unseren alten Menschen noch bedrängt. Wer nicht hin und wieder darum kämpfen muss, keine Pornografie zu nutzen, der ist a) glücklich zu preisen und hat b) andere Kämpfe. 


Jugendlichen zu zeigen, dass es normal ist, gegen Pornografie (und andere Sünde) kämpfen zu müssen gibt ihnen überhaupt erst die Möglichkeit, sich dieser Aufgabe richtig zu stellen. Pornografie ist der Normalfall in unserer Gesellschaft und wird es voraussichtlich noch lange bleiben. Wenn wir wollen, dass die nächsten Generationen von Christen mit dieser Herausforderung umgehen können, müssen wir das Thema von einem Tabu zu einer To-Do machen. Kampf gegen Pornografie gehört in unsere Gemeinden, weil Pornografie zu unserer Gesellschaft gehört. Ganz wie bei Paulus: Ohne Scham, ohne Bagatellisierung, ohne Angst. Dafür mit großem Vertrauen, dass der, der uns errettet hat uns auch geduldig durch unsere Kämpfe tragen wird.