Du bist gefallen

Mit uns Menschen stimmt so einiges nicht. Das Evangelium hilft uns dieser Tatsache ins Auge zu blicken und gibt uns gerade dann neue Hoffnung.   
Du bist gefallen

Das Problem

Wann warst du das letzte Mal so richtig unzufrieden mit dir selbst?

Es ist doch eigentlich ein komisches Phänomen, dass Menschen sich über sich selbst ärgern können. Dabei tun wir das alle: Wir ärgern uns, wenn wir selbstgesteckte Ziele nicht erreichen, wenn wir Dinge tun, die wir eigentlich lassen wollten, oder wenn wir in den Spiegel schauen und einfach nicht damit zufrieden sind, wer wir sind, wie wir aussehen, was wir können oder wie andere Menschen uns wahrnehmen. Manchmal geht es uns sogar so schlecht mit uns, dass wir uns regelrecht selbst nicht mögen. Kennst du das? 

Es ist doch eigentlich merkwürdig, dass wir mit uns selbst unzufrieden sein können. Müssten wir nicht alle unsere eigenen größten Fans sein? Müsste nicht alles, was wir tun und fühlen genau unseren eigenen Geschmack treffen, weil wir es ja eben selber sind, die da handeln und fühlen? 

Irgendetwas stimmt mit uns selbst nicht.  

Der Grund

Die Bibel ist durch und durch realistisch in ihrem Menschenbild. Sie weiß nicht nur um unsere Probleme mit uns selbst, sondern sie wird auch nicht müde, uns deutlich zu machen, woran wir eigentlich kranken: Wir sind gefallene Geschöpfe. 

Gott, der Schöpfer unseres Universums, hatte den Menschen eigentlich zu einem fantastischen Wesen gemacht. Unsere Fähigkeit zu sprechen und Beziehungen leben zu können, unsere Kreativität, unser Intellekt, unsere Freiheit, unsere Fähigkeit die Erde und ihre Lebewesen zu formen und zu beherrschen - sie alle sind Ausdruck davon, dass der Mensch nicht weniger als nach "dem Bilde Gottes" geschaffen ist (1.Mose 1,26).

Aber dabei bleibt die Geschichte der Menschheit leider nicht stehen. Der Mensch überwirft sich mit seinem Schöpfer und zerstört so die lebenswichtige Verbindung zu dem Gott, dem er sein ganzes Wesen, ja das Leben selbst verdankt. Die Folgen sind verheerend. 

Der Mensch hat seine Beziehung zu Gott zerstört und muss seine Nähe umgehend verlassen (1.Mose 3,22-24). Mit der Schädigung der Beziehung zu seinem Schöpfer, hat der Mensch sich aber nun grundsätzlich in seinem Wesen an den Rand der Selbstzerstörung gebracht. Der Mensch und die ganze Schöpfung, die ihm anvertraut war, war auf Gott ausgerichtet und lebt nur durch ihn. Deswegen ist nicht nur die Beziehung des Menschen zu Gott geschädigt, sondern auch die Beziehung der Menschen untereinander und die Beziehung zur Schöpfung: 

Zu der Frau sprach [Gott]: „[...] Dein Verlangen wird sein, deinen Mann zu besitzen, doch er wird herrschen über dich.“ 

- 1.Mose 3,16

Zu Adam sagte er:

„Weil du auf deine Frau gehört und von dem Baum gegessen hast, obwohl ich dir ausdrücklich verboten habe, vernimm das Folgende: ,Deinetwegen sei der Acker verflucht! Um dich von ihm zu ernähren, musst du dich lebenslang mühen. Dornen und Disteln werden dort wachsen, doch bietet er dir auch Furcht. Mit Schweiß wirst du dein Brot verdienen, bis du zurückkehrst zu erde, von der du genommen bist.‘“ 

- 1.Mose 3,17-19

 

Doch selbst damit ist das Ausmaß der Katastrophe noch nicht vollständig. Selbst das Verhältnis des Menschen zu sich selbst ist jetzt gestört. Unmittelbar nach der ersten Sünde bemerkt der Mensch bereits, dass er nackt ist und schämt sich plötzlich dafür, wie er ist. (1.Mose 3,7)

Und je länger die Geschichte der Menschheit geht, desto klarer wird, wie tiefgreifend wir als Menschen in unserem Innersten durch den Sündenfall korrumpiert wurden.

Es gibt keine Bosheit, die Menschen nicht schon begangen oder begehrt hätten und selbst dann, wenn wir selbst ein gutes, heiles Leben führen möchten, gelingt es uns nicht.

Paulus wird tausende Jahre später davon sprechen, dass es in uns einen regelrechten Kampf gibt, zwischen unserer sündigen, „fleischlichen“ Natur und unserem inneren Menschen. (Römer 7,14-25)

Diese letzte Beobachtung, dass wir selbst dann das Gute nicht zustande bringen, wenn wir es eigentlich wollen, ist für uns Menschen besonders bitter. Zu merken, dass wir in dieser Welt nicht einmal auf uns selbst zählen können, tut weh. Und doch hilft es nichts, die Augen vor der Realität zu verschließen.

Wenn wir uns fragen, wer wir wirklich sind, ist ein Teil der Antwort auch immer: Wir sind gefallen.

Die Hoffnung

Das wunderbare an Gottes Botschaft, dem Evangelium, ist aber, dass sie nicht dabei stehen bleibt, uns mit den schmerzhaftesten Nöten unserer Realität zu konfrontieren. Gott hat nicht durch Jesus, die Propheten und Apostel zu uns gesprochen, um uns fertig zu machen. Er hält uns nicht den Spiegel vor, damit wir verzweifeln, sondern damit wir verstehen, dass er der Einzige ist, der uns helfen kann und helfen will. Weil wir das Gute nicht einmal dann tun könnten, wenn wir wollen, hat er selbst alles getan, was nötig war, um uns wieder mit ihm zu versöhnen.

Gott sieht das Schlamassel in dem wir Menschen stecken klarer als irgendjemand sonst und statt sich angeekelt abzuwenden, wendet er sich uns voller Erbarmen zu.

Als Christen glauben wir immer beides. Wir glauben an die wunderschöne Identität und Berufung, die Gott uns als geliebten Geschöpfen gegeben hat, und an die erschreckende Realität unseres Falls. Aber weil Jesus für uns Mensch geworden, gestorben und wiederauferstanden ist, dürfen wir auch voller Zuversicht darauf warten, dass der Fall eines Tages Geschichte sein wird. Gott wird diese Welt an ein Ende führen, das Böse vernichten und die Menschen, die ihr Vertrauen auf ihn gesetzt haben zu neuem Leben auferwecken, in dem sie nicht mehr mit den Folgen ihres Falls kämpfen müssen. 

Das Herausfordernde, das wir dabei nicht vergessen dürfen, ist, dass Gott sein Heilswerk in uns zwar schon angefangen hat, als wir zum Glauben an Jesus gekommen sind, aber dass es erst abgeschlossen sein wird, wenn wir zum ewigen Leben in seinem Reich auferstehen. Bis dahin leben Christen in der Spannung, zwischen ihrem Alten leben, das vergeht, und dem Neuen, das bereits jetzt immer mehr Gestalt gewinnen soll:

,,Wenn nun also Christus in euch ist, bleibt der Körper zwar dem Tod verfallen aufgrund der Sünde, der Geist aber erfüllt euch mit Leben aufgrund der Gerechtigkeit, ‹die Gott euch geschenkt hat›. Wenn nun der Geist von dem in euch wohnt, der Jesus aus den Toten auferweckt hat, dann wird er durch den Geist, der in euch wohnt, auch euren sterblichen Körper lebendig machen, eben weil er Christus aus den Toten auferweckt hat. Darum sind wir jetzt nicht mehr den eigenen Begierden verpflichtet, meine Geschwister, als müssten wir uns davon bestimmen lassen!''

- Römer 8, 10-12  

Mit der Hoffnung leben

Wenn wir als Christen auf uns selbst blicken, geht es also nicht um billigen Wohlfühl-Optimismus, sondern um eine durch und durch realistische Hoffnung in all den Herausforderungen unseres Lebens.    

Wir müssen nicht immer aufs neue erschrecken, wenn unser sündiger alter Mensch uns wieder einholt. Wir können viel mehr mit klarem Blick und ohne Beschönigung oder Betäubung auf unsere Herausforderungen, Fehler und Sünden sehen. Das tröstet uns, wenn wir wieder an uns selbst scheitern, aber es macht uns auch frei, mit Herz und Verstand an unserer Heiligung zu arbeiten. 

Statt unsere Nöte zu verstecken, zu beschönigen oder vor Scham und Angst wie gelähmt zu sein, können wir ehrlich und ohne Angst mit Gott und Menschen über sie sprechen und sie angehen, auch wenn der Weg ein trial-and-error-Prozess wird.

Wenn Gott für uns ist, wer kann gegen uns sein?

Probleme mit deiner Sexualität, deinem Ego, Geld, Lügen? – Kein Problem. Such dir Verstärkung bei anderen, reifen Christen, denen du vertraust und geh die Sache mit Gottes Hilfe und praktischen Veränderungen an. Die Gemeinde ist eine Weggemeinschaft aus Menschen, die genauso wie du auf ihre endgültige Heiligung warten und trotzdem schon der Sünde den Kampf angesagt haben.

Du tust dich schwer, dich selbst anzunehmen? – Völlig normal. Die Sünde will letztlich nichts lieber als unseren Untergang. Selbstzweifel oder- hass, Frust und Unzufriedenheit, Scham und Ängste sind Teil des Programms. Aber egal wie schlecht es uns mit uns selbst geht, Gott hat uns wunderbar gemacht und liebt uns über alle Maßen. Unsere Probleme mit uns selbst sind Teil des Falls, nicht etwas, was wirklich zu uns gehört. Gott wird uns eines Tages frei machen von all dem. Und bis das soweit ist, nehmen sie trotzdem all die anderen Wahrheiten über unsere Identität nicht weg, über die wir in den anderen Andachten dieser Reihe nachgedacht haben: Wir sind geliebt, begabt, berufen, einzigartig. Diese Wahrheiten jetzt schon anzunehmen und auszuleben ist genauso Teil unseres gemeinsamen Weges als Gemeinde, wie der Kampf gegen äußere Sünden. 

Gott will uns verändern und er tut es auch jetzt schon.

Wir sind gefallen, aber Gott hat uns nicht fallen lassen.

Wenn wir das glauben, können wir der Realität hoffnungsvoll ins Auge blicken und mit Ruhe und Sicherheit den Weg der Veränderung gehen, den Gott uns führen will. Dieser Realismus gepaart mit solcher Ruhe und Hoffnung, solcher Leichtigkeit und Freude – das ist eigentlich das einzigartige Lebensgefühl des Christseins.