Die Intuition mit dem Willen Gottes verwechseln

Ein kurzes Review zu Kevin DeYoung: Leg einfach los!
Die Intuition mit dem Willen Gottes verwechseln

Wie erkenne ich den Willen Gottes? Superwichtige Frage für den Alltag. Und gleichzeitig gibt es in Evangelikalien darauf ganz … problematische Antworten und Konzepte. Sie führen zu Passivität. Und aus meiner Sicht noch schlimmer: sie führen dazu, dass man die eigene Intuition mit dem Reden Gottes verwechselt. 

Kevin DeYoung, reformierter Theologe aus den USA, stellt aus diesen Gründen in seinem Buch „Leg einfach los!“ ein differenziertes Modell vom Willen Gottes vor. Seine Unterteilung von Gottes souveränem Willen („alles, was geschieht“), Gottes moralischem Willen („was er von seinen Geschöpfen möchte“) und Gottes individuellem Willen für mein Leben ist mir vor Jahren sehr wichtig geworden. Er macht deutlich, dass Gott keinen „geheimen individuellen Willen“ für uns hat, dem wir in allen Details unseres Lebens folgen sollen. „Gottes souveränem Willen zu vertrauen ist gut. Seinem moralischen Willen zu folgen ist Gehorsam. Auf Gottes individuellen Willen zu warten ist das reinste Chaos“, fasst Kevin DeYoung zusammen (S. 23). 

Dann zeigt er die negativen Folgen auf, die eine Fokussierung auf den individuellen Gottes hat. Dazu gehört, dass wir eigene Verantwortung von uns wegschieben und – in meinen Worten – eher Marionetten ähneln als verantwortungsvolle und entscheidungsfähige Subjekte, die Gott in uns sieht und zu denen er uns machen möchte. Und dieses Konzept versklavt uns „in den Ketten einer hoffnungslosen Subjektivität“. Deutliche Worte, denen ich voll und ganz zustimme. Für mich habe ich mal formuliert: die eigene Intuition wird mit dem Willen Gottes verwechselt. 

Auch auf typische (falsche) Handwerkszeuge zum Erkennen von Gottes Willen geht er ein: offene Türen, das Vlies, Bibelstellen wie Glückslose zu verwenden und die Intuition. Dabei stellt er klar: alle diese Dinge haben (richtig verstanden) ihre Berechtigung, aber sie mit dem Willen Gottes zu verwechseln – das führt ins Chaos. 

Aber wie treffe ich dann Entscheidungen für mein Leben? Kevin DeYoung stellt das Konzept der Weisheit in den Mittelpunkt und geht darauf ein, wie man weise entscheiden kann: mit der Bibel, Ratgebern und Gebet. 

Abgerundet wird das Buch mit der Anwendung dieser „Weisheitsmittel“ auf 2 konkrete Lebenssituationen: Berufswahl und Ehe. 

 

Ich freue mich, das KevinDeYoung bei aller wichtigen Betonung auf Weisheit auch die (notwendige) Offenheit für übernatürliches Eingreifen hat – und die Kapitelüberschrift „Gewöhnliche Führung und außergewöhnliche Überraschung“ gibt das super wieder. 

Aus meiner Sicht lohnt es sich sehr, dieses Konzept zum Willen Gottes in der Jugendarbeit vorzustellen und anhand von verschiedenen Lebensbereichen anzuwenden. Eine Hilfestellung dafür ist der Studienleitfaden am Ende des Buches, in dem auch Gesprächsanregungen für Kleingruppen zu finden sind. 

Was ich am Buch vermisse ist eine Auseinandersetzung mit Nehemia, der davon spricht, „was mein Gott mir ins Herz gegeben hatte“ (Nehemia 2, 12). Das klingt irgendwie nach mehr als Intuition und weniger als direkter Offenbarung.  

Außerdem ist der „Ton“ von Kevin DeYoung an manchen Stellen nicht ganz mein Fall – gerade, wenn er diese Generationen mit der Generation seiner Großväter vergleicht. „Verglichen mit meiner dekadenten, faulen, trivialen und herumbastelnden wäre mein Großvater ein bemerkenswerter Mann, wenn nicht so viele seiner Generation so bemerkenswert wären.“ (S. 110) Ich kann seinen Punkt schon nachvollziehen – aber diese pauschalisierende und einseitig-kulturpessimistische Perspektive ist aus meiner Sicht nicht angemessen. 

Trotzdem: superhilfreiches Buch und ein Konzept vom Willen Gottes, dass auf jeden Fall als Thema in der Jugendarbeit behandelt werden muss.