Die Achse des Evangeliums: Mut & Demut

Das Evangelium verändert unseren Charakter. Christliche Demut gehört dabei ganz eng mit christlichem Mut zusammen.
Die Achse des Evangeliums: Mut & Demut

Christliche Demut: Nüchternheit statt Selbstmitleid oder Hochmut

"Liebe Geschwister, aus uns selbst heraus können wir nichts tun. Erst gestern habe ich wieder mein eigenes Scheitern erlebt als ich …" Kennst du Predigten, bei denen du Mitleid mit dem Prediger empfindest, weil er so ein einseitig-schlechtes Bild von sich selbst hat? Es gibt Menschen mit Minderwertigkeitskomplexen. Einem so negativen Bild von sich selbst, dass sie ihre Stärken nicht sehen können. Diese übertriebene Demut kann gerade in moralistischen Gemeinden entstehen, weil man nie den Ansprüchen genügt. 

Es geht aber auch ganz anders. Da stehen selbstbewusste Macher vorne, die jeden Tag neue Ideen formulieren, Pläne schmieden und die Geschwister motivieren, ihnen zu folgen. Die Geschichten erzählen, was Gott schon alles Großes durch ihr Leben bewirkt hat. Bei denen du aber mehr heraushörst, was "durch ihr Leben" passiert ist, als was "Gott … bewirkt" hat.  

Beides ist schwierig. Es gibt eine übertriebene Demut, bei der Menschen im Selbstmitleid ertrinken und nicht das Potential wahrnehmen, das Gott in sie hineingelegt hat. Und es gibt Menschen, die ihre Potentiale einsetzen, aber dabei die Abhängigkeit von Gott vergessen und hochmütig werden. 

Beides entspricht nicht einem Charakter, der durch das Evangelium geprägt worden ist. Wie jemand von sich selbst redet, der tief vom Evangelium geprägt worden ist, sehen wir in der Selbstbeschreibung von Paulus. 

Seine tiefe Demut beschreibt er in einem Satz. Er denkt an sein Scheitern. 

  

"Denn ich bin der geringste unter den Aposteln, der ich nicht wert bin, dass ich ein Apostel heiße, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe." (1. Korinther 15, 9) 

  

Und in den nächsten Sätzen beschreibt er, was Gottes Gnade aus ihm gemacht hat. Er hat viel mehr gearbeitet als sie alle. 

  

“Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Und seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen, sondern ich habe viel mehr gearbeitet als sie alle; nicht aber ich, sondern Gottes Gnade, die mit mir ist.” (1. Korinther 15, 10) 

  

Paulus verbindet Demut und Mut. Demut - ich bin der geringste unter den Aposteln. Mut - ich habe viel mehr gearbeitet als sie alle. Er verfällt weder in einen Minderwertigkeitskomplex übertriebener Demut. Noch wird er hochmütig, weil er so viel arbeitet.  

  

Thomas Schirrmacher schreibt: "Richtig denkt nur, wer sich gemäß seiner Gaben einschätzt, also weiß, dass er das kann, wozu ihn Gott besonders befähigt hat. Demut bedeutet nicht zu meinen, man könnte alles, aber auch nicht zu meinen, man könnte nichts, sondern nüchtern das anzunehmen, was Gott an Gaben in uns hineingelegt hat.

  

Das Vorbild von Paulus und das Konzept von Mut und Demut hilft mir, mich selbst zu prüfen. Bin ich auf dem Weg, einen Charakter zu entwickeln, der immer mehr vom Evangelium geprägt ist? 

Eine selbsteinschätzung

Oft hilft es uns, geistliche Wahrheiten in ihren verschiedenen Facetten einmal durchzuspielen, um uns selbst einschätzen zu können. Du kannst diese Tabelle hier als Ausgangspunkt nutzen um für dich darüber zu reflektieren, was Jesus dir bereits an Charakterveränderung gegeben hat und was du noch brauchst. Dass sich unsere Bedürfnisse und unser Charakter nicht linear weiterentwickeln ist dabei ganz normal. Jede Zeit hat ihre eigenen Herausforderungen, aber auch ihre eigene Gnade.


Stolz

Mut & Demut

Falsche Demut

(1)

Ich mache wenig Fehler - die Ursache für Problemen sind meist andere.

Ich bin überwältigt von meiner eigenen Not, weiß mich aber geliebt von meinem Schöpfer und hoffe auf seine Veränderungskraft.

Ich verzweifele immer wieder wegen meiner Fehler und ziehe mich zurück.

(2)

Ich sehe die Fehler der anderen mit einem Mikroskop, die eigenen mit einem Teleskop. Deswegen bin ich häufig hart zu Menschen, mit denen ich zusammenarbeite.

Ich kann anderen vergeben, weil mir auch viel vergeben wurde. Das heißt aber nicht, dass ich Probleme unter den Teppich kehre.

Ich sehe die Fehler der anderen mit einem Teleskop, meine eigenen mit einem Mikroskop. Deswegen spreche ich zu häufig die Fehler der anderen nicht an.

(3)

Ich bin oft selbstgefällig und sehe auf andere von oben herab.

Ich kenne meine eigene Not, aber verzweifele nicht und versuche, andere höher als mich selbst zu achten.

Ich habe Minderwertigkeitsgefühle und schaue zu anderen herauf.

(4)

Ich bin zu oft rechthaberisch.

Ich stehe zu meinen Überzeugungen und höre gleichzeitig wachsam auf die Perspektiven meines Gegenübers.

Ich bin zu häufig nachgiebig.

(5)

Ich muss beweisen, dass ich im Recht bin.

Ich gehe davon aus, dass meine Überzeugungen falsch sein können und suche deshalb bewusst Korrektur.

Ich gehe davon aus, dass ich falsch liege.

(6)

Ich lasse mich gerne bedienen.

Ich möchte anderen gerne dienen und freue mich daran, wenn mir Gutes getan wird.

Ich versuche es zu vermeiden, dass andere mir dienen und gehe immer wieder an meine Grenzen, um anderen zu dienen.

(7)

Ich möchten gerne gut dastehen.

Ich freue mich über Lob, aber mein Ziel ist es, dass Andere geehrt werden.

Ich habe Probleme damit, Lob anzunehmen.

(8)

Ich bin verletzt, wenn andere gefördert und ich übersehen werden.

Ich fördere Andere - und wenn ich übersehen werde, wirft es mich nicht aus der Bahn, denn meine Identität in Christus ist fest.

Ich gehe davon aus, dass andere gefördert werden – sie sind sowieso besser als ich.

(9)

Ich ahne, dass ich meine Stärken häufig überschätze.

Ich weiß, was ich kann und was ich nicht kann.

Ich kann sehr wenig.

(10)

Ich öffne mein Herz und mein Inneres nicht für andere – andere können mir nicht helfen.

Ich wage es, mich anderen zu nähern und mir ins Herz schauen zu lassen.

Ich öffne mein Herz und mein Inneres nicht für andere – ich schäme mich zu sehr.

(11)

Ich schiebe die Schuld schnell auf andere.

Ich analysiere Probleme nüchtern und gemeinsam mit anderen. Ich übernehme die Verantwortung, wo ich Fehler gemacht habe.

Ich sehe die Fehler immer bei mir.

(12)

Ich lasse Kritik nicht an mich heran – warum auch?

Ich nehme Kritik dankbar an und denke – manchmal auch mit anderen – darüber nach, ob sie berechtigt ist.

Ich bin verzweifelt, wenn mich anderen kritisieren und will am liebsten sofort meine Verantwortung abgeben.

(13)

Ich befasse mich sehr viel damit, was andere über mich denken – ich will, dass sie sehen, was ich leiste und wie geistlich ich bin.

Auch wenn ich wahrnehme, was andere von mir halten - ich denke mehr darüber nach, was Gott über mich denkt. Deswegen möchte ich aufrichtig und authentisch sein.

Ich befasse mich sehr viel damit, was andere über mich denken – ich hoffe, dass sie nicht entdecken, wie fehlerhaft und unsicher ich wirklich bin.

(14)

Ich verberge meine Fehler, weil es mir unangenehm ist, dass Leute mich schwach sehen.

Ich störe mich nicht daran, wenn andere meine Schwächen kennen, da ich „zerbrochen“ bin.

Ich verberge meine Fehler, weil ich nicht möchte, dass die Leute entdecken, was ich wirklich für ein Versager bin.

(15)

Ich weiß, dass ich sündige – aber konkret fallen mir oft nicht so viele Beispiele ein.

Ich bin sehr konkret, wenn es um die eigene Sünde geht.

Wenn ich über mich nachdenke, fallen mir tausende konkrete Fehler und Sünden ein.

(16)

Ich habe Angst vor den Folgen der Sünde.

Ich bin traurig über die Wurzeln der Sünde – die Gründe, die sie verursacht haben.

Obwohl ich gerettet bin, sehe ich mich noch als Sünder – und frage mich, ob mich Gott noch bestraft.

(17)

Ich vergleiche mich häufig mit anderen, die schlechter sind als ich.

Ich vergleiche mich mit Gottes Maßstäben.

Ich vergleiche mich häufig mit anderen, die besser sind als ich.

(18)

Ich sehe wenig, worüber ich Buße tun muss.

Ich brauche immer wieder Buße – und weiß tief in mir, dass Gott meine Sünden vergeben hat.

Ich tue immer wieder und immer wieder Buße und kann die Vergebung nicht annehmen.

(19)

Ich denke nicht, dass wir eine Erweckung nötig haben. Oder: 

 

Ich denke, dass ich einen entscheidenden Beitrag dazu leisten kann, dass hier wieder Erweckung stattfindet.

Ich sehne mich nach Erweckung und nach dem Wirken des Heiligen Geistes.

Ich denke nicht, dass eine Erweckung mit mir möglich ist.