Das Warten

Warten ist eine Herausforderung. Es ist ein Kampf zwischen Hoffnung und Verzweiflung, zwischen Vertrauen und Enttäuschung. Aber anhand von Jairus' Geschichte sehen wir, dass es sich lohnt , sich dieser Herausforderung bewusst zu stellen.
Das Warten

Ziel

Anhand der Episode über die Auferweckung der Tochter des Jairus sollen die Jugendlichen verstehen, dass Warten zum Glauben dazugehört. Auch wenn wir in diesem Leben keine Hoffnung mehr sehen, ändern sich Gottes gute Absichten mit uns nicht.

Bibeltext

Markus 5, 21 - 43

Einleitung

Warten. Eine Fähigkeit, die ich persönlich in den letzten Jahren eher ver- als erlernt habe. Eigentlich sollte man davon ausgehen, dass Menschen nach ihrer Kindheit progressiv besser darin werden mit den Wartezeiten des Lebens umzugehen, aber zumindest in meiner Erfahrung ist das immer seltener der Fall. Amazon Prime, Netflix und viele andere technologische Alltäglichkeiten haben uns daran gewöhnt, dass Warten eigentlich nicht sein muss. Wenn wir warten müssen, vermuten wir einen Fehler: „Das Paket ist bestimmt verloren gegangen.“ „Das Internet spinnt schon wieder.“

(An dieser Stelle kann sich ein kleiner Austausch mit den Jugendlichen anbieten: Wie gut sind sie im Warten? Nach wieviel Tagen werden Sie ungeduldig, wenn ein bestelltes Paket noch nicht da ist?)

Auch im Glauben haben wir unsere Probleme mit dem Warten. Dabei ist Warten im besten Sinne des Wortes biblisch (Jakobus 1,2-4). Und trotzdem fällt es uns schwer. Nicht nur, weil Warten anstrengend ist, sondern weil es auch oft an unserem Gottvertrauen nagt. Wie sollen wir damit umgehen, wenn Gott unsere Gebete nicht erhört?  Liegt das Problem vielleicht bei uns, bei unserer mangelnden Heiligkeit, zu wenig Vertrauen oder Gebet? Oder gibt es ein Problem bei Gott, hat er kein Erbarmen mit unseren Nöten oder Sehnsüchten?

(An dieser Stelle bietet sich ein zweiter Austausch an: Wie geht ihr damit um, wenn ihr das Gefühl habt, dass Gott euch bei etwas warten lässt? Was denkt ihr in solchen Zeiten über Gott und über euch?)

In unserem heutigen Abschnitt aus dem Markus Evangelium geht es um genau dieses Warten auf Gott.

Erarbeitung

Wenn Gott Warten lässt - Jairus schlimmster Tag

Gemeinsame Textlesung: Markus 5,21-35

Nach dem Sturm auf dem See und einer spektakulären Dämonenaustreibung sind Jesus und die Jünger zurück auf der Westseite des See Genezareth. Jesus wird von einem Synagogenvorsteher um Hilfe für seine todkranke Tochter gebeten. Nach allem, was Markus uns auf den letzten Seiten über Jesus und seine Wunder berichtet hat, könnte man meinen, dass der nächste Bericht wohl eher unspektakulär abgehandelt werden wird. Was soll Jesus in dieser Situation schon groß anders machen? Er hat bereits ausreichend unter Beweis gestellt, dass er fähig und willens ist, Menschen zu heilen. Der Mann, der sich bittend an Jesus wendet, ist ein Synagogenvorsteher, also ein frommer und hingegebener Jude. Er bittet auch nicht für sich selbst, sondern für seine Tochter. Jesus müsste sich unerwarteterweise in einen Unmenschen verwandelt haben, in dieser Situation nicht zu helfen.

Und zunächst sieht für Jairus auch alles danach aus, als ob es noch Hoffnung für seine Tochter gäbe. Jesus willigt ein, mit ihm zu gehen. Wenn sie nur schnell genug bei ihr ankommen würden, würde er mit Sicherheit in der Lage sein sie zu heilen. Wenn nur nicht so viele Menschen Jesus bedrängen und verlangsamen würden. Aber wenn sie nur konzentriert weiter vorangehen und sich beeilen…

Und dann passiert für Jairus etwas, das für jeden Vater die pure Folter sein musste: Jesus bleibt stehen. Zuerst wirkt die Situation nur etwas komisch. Jesus fragt inmitten der Menge, wer sein Gewand berührt habe. Eine merkwürdige Frage in all dem Gedränge. Aber tatsächlich meldet sich eine Frau und Jesus beginnt ein Gespräch mit ihr. Und nicht nur irgendein Gespräch. Die Frau erzählt ihm anscheinend ihre halbe Lebensgeschichte. Zwölf Jahre voller Leid und Suche nach einer Heilung, die es nicht zu geben schien.

„Des einen Freud ist des anderen Leid“ heißt es im Volksmund. Und so muss Jairus hilflos zusehen, wie Jesus die vielleicht letzten Lebensminuten seiner Tochter verstreichen lässt, um einer anderen Frau zu helfen.

Wir haben am Anfang darüber gesprochen, wie schwierig Warten für uns ist. Kannst du dir vorstellen, wie es Jairus gehen musste?

Und dann kommt die schreckliche Nachricht, vor der sich Jairus die ganze Zeit gefürchtet hatte: Seine Tochter ist gestorben. Jesus hat ihn nicht einfach nur warten lassen. Er hat ihn und seine Tochter ganz offensichtlich im Stich gelassen.

Bevor wir weitergehen, müssen wir eine Sache verstehen. Egal welche Zweifel und Sorgen uns kommen, wenn Gott uns auf irgendetwas warten lässt: diesem Jairus ging es nicht anders als uns. Er ist gläubig und lebt offenbar ein hingegebenes, aufrichtiges Leben. Er versteht, dass Jesus die richtige Adresse für seine Not ist und wirft sich ihm wortwörtlich zu Füßen. Er glaubt, dass Jesus helfen kann. Und trotzdem passiert die eine Sache, vor der er sich so gefürchtet hat.

Warten muss kein Zeichen dafür sein, dass wir irgendetwas falsch gemacht haben.

Manchmal verlangt Gott von uns schlichtweg, dass wir warten und vertrauen, auch wenn wir nicht wissen, warum wir warten müssen.

Gottes Perspektive ist anders –„Das Mädchen schläft nur“

Gemeinsame Textlesung: Markus 5,35-43

Die Begebenheit um Jairus ist noch nicht zu Ende. Die Bediensteten des Jairus versuchen ihn (seelsorgerlich wenig hilfreich) dazu zu bringen, Jesus nicht weiter in Beschlag zu nehmen. Immerhin ist das Mädchen tot, was soll Jesus da schon noch tun.

Ihre Logik ist dieselbe, die wir heute auch oft noch anwenden. Wenn Gott unsere Bitten nicht zu erfüllen scheint, kommen wir zu dem Schluss, dass sie wohl vergebens waren. Vielleicht hat Gott uns doch nicht gehört? Vielleicht mutet er uns die Enttäuschung und den Schmerz zu? Jedenfalls macht es jetzt wohl keinen Sinn mehr, weiter zu beten und zu hoffen und wir müssen anscheinend einfach mit dem Leid klarkommen. Kein Wunder, dass gerade am Leid viele Menschen in Glaubenszweifel geraten. Denn die Logik von Jairus Angestellten ist menschlich. Sie vergisst, dass Gottes Horizont größer ist als unserer. Und plötzlich wirkt es, als ob all das schöne Gerede über die Liebe und Macht Gottes nicht mit unserer Lebenserfahrung zusammenpassen.

Jesus hat das Gespräch zwischen Jairus und seinen Bediensteten mitgehört. Er versteht die Trauer und Verzweiflung, die ihn jetzt ergreifen müssen und er schaltet sich ein:

Du brauchst dich nicht zu fürchten; glaube nur!
-Markus 5,36b

Jesus Perspektive ist anders. Jairus scheint all sein Vertrauen zusammenzunehmen und geht mit Jesus weiter und auch als sie zum Haus kommen kollidiert Jesus Perspektive wieder mit der der Menschen. Jesus spricht die Trauergemeinschaft an und behauptet, das Mädchen würde nur schlafen. Trauriges Gelächter und Spott sind die Antwort.

Bis hierher könnte man meinen, Jesus wäre ein ähnlich hilfloser Seelsorger, wie wir es oft in Leidens- und Wartezeiten sind: Wir sprechen einander zu, dass Gott es gut meint. Wir beten, machen Hoffnung, und doch bleibt die Welt oft wie sie ist. Verstorbene kehren nicht zurück und Leid und Unrecht hören nicht auf. Aber bei Jesus bleibt es nicht beim Zuspruch.

Als Jesus endlich zu dem verstorbenen Mädchen kommt ändert sich die Geschichte schlagartig. Er nimmt ihre Hand und sagt einfach nur das, was ein liebevoller Vater auch am Morgen zu seiner Tochter sagen würde, um sie zu wecken: „Komm mein Mädchen, steh auf.“ Und ohne jedes Spektakel, ohne Blitz und Donner, ganz selbstverständlich steht das Mädchen auf. Es lebt wieder. Der Tod, der größte Schrecken, den wir Menschen kennen, ist für Jesus nicht mehr, als ein leichter Schlaf, aus dem er die Menschen einfach aufwecken kann.

Zielgedanke

Gottes Perspektive ist anders. Sein Horizont ist größer als unserer. Seine Liebe gilt nicht nur Jairus und seiner Tochter. Sie gilt allen Menschen in allen Zeiten. Einige Kapitel später wird Markus uns berichten, wie Jesus unverschuldet aber völlig freiwillig einen grausamen Tod auf sich nimmt, nur um drei Tage später wieder aufzuerstehen und einige Wochen später in seinem menschlichen Körper in den Himmel aufzufahren. Durch Tod, Auferstehung und Himmelfahrt des Sohnes Gottes dürfen wir uns sicher sein, dass Gottes Liebe auch uns gilt, selbst wenn wir auf manche Gebetserhörungen ein Leben lang warten müssen.

Gottes Perspektive endet nicht mit unserem menschlichen Leben. Er sieht die ganze Geschichte und er sieht hinter den Tod. Christ zu sein, bedeutet auch zu glauben, dass Gott es gut mit uns meint, wenn wir warten müssen. Das liegt nicht daran, dass Gott uns nicht helfen wollte. Er liebt uns. Er leidet mit, wenn wir leiden. Er ist sogar mitgestorben, weil wir sterben mussten. Und weil er den Tod überwunden hat, werden auch wir ihn überwinden.

Wenn wir das nächste Mal warten müssen, ob im Kleinen oder im Großen, dürfen wir diese Realität nicht vergessen. Warten ist eine Herausforderung. Es ist ein Kampf zwischen Hoffnung und Verzweiflung, zwischen Vertrauen und Enttäuschung. Aber es lohnt sich, sich dieser Herausforderung bewusst zu stellen. Unser Leben wird uns früher oder später in Leidens- und Wartezeiten führen. Wie gut, wenn wir dann Jesus Zuspruch nicht vergessen haben:

Du brauchst dich nicht zu fürchten; glaube nur!
- Markus 5,36b

Austausch zum Weiterdenken

1.      Welche unterschiedlichen Reaktionen auf Leid, Wartezeiten oder unerhörte Gebete habt ihr bis jetzt unter Christen beobachten können? Welche davon fandet ihr hilfreich oder tröstend? Welche nicht? Warum?

2.      Was lösen Bibelstellen wie Jakobus 2,2-4 bei euch aus? Motivation? Angst? Fühlt ihr euch überhaupt ernstgenommen, wenn ihr so etwas lest?

Seht es als einen ganz besonderen Grund zur Freude an, meine Geschwister, wenn ihr Prüfungen verschiedenster Art durchmachen müsst. Ihr wisst doch: Wenn euer Glaube erprobt wird und sich bewährt, bringt das Standhaftigkeit hervor. Und durch die Standhaftigkeit soll das Gute, das in eurem Leben begonnen hat, zur Vollendung kommen. Dann werdet ihr vollkommen und makellos sein, und es wird euch an nichts mehr fehlen.
-
Jakobus 2,2-4

3.      Welchen Trost und welche Hilfen zum Durchhalten haben wir als Christen wirklich? Welche Zusprüche und Hilfen sind vielleicht eher „gut gemeint und schlecht gemacht“? Was trägt euch durch?