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Gewissen

Darf ich das?

Vom Zaun zum Zentrum: Wie Jugendliche Freiheit im Glauben entdecken können!

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7. Juli
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5 min
Tim Hufner S Q5y Rehu F I Unsplash

Darf ich das?

Die ehrlichen Sucher

Wer mit Jugendlichen unterwegs ist, kennt diese Fragen: "Darf ich auf die Party gehen? Darf ich Harry Potter lesen? Darf ich auf die Hochzeit meiner lesbischen Freundin?" Auf den ersten Blick scheinen das harmlose Alltagsfragen zu sein. Doch sie zeigen etwas Tieferes: Jugendliche suchen Orientierung. Sie wollen wissen, was richtig ist, was in Ordnung geht und was "man als Christ" eben nicht tut. Die Frage "Darf ich das?" ist oft Ausdruck eines ehrlichen Ringens um den Willen Gottes und des eigenen Handelns.

Gleichzeitig kann diese Haltung auch problematisch werden. Wenn Jugendliche nur noch in Kategorien von "erlaubt" und "verboten" denken, verengt sich ihr Blick. Der Glaube wird reduziert auf eine Art moralischen Verhaltenskatalog. Doch christlicher Glaube ist mehr als ein ethisches Regelwerk. Es geht um Beziehung, um Vertrauen, um eine innere Ausrichtung auf das Gute.

Wenn Glaube zur Liste wird

Viele Jugendliche wachsen mit einer Vorstellung auf, dass der christliche Glaube ihnen vor allem sagt, was sie nicht tun dürfen. Alkohol, Sex, Zauberei, Sonntagsarbeit – die Liste ist lang. Und je nach Gemeinde, Prägung oder Kultur unterscheiden sich diese "No-Gos". Die Folge? Glaube fühlt sich manchmal an, wie ein Zaun aus Regeln, der Freiheit verhindert, statt sie zu ermöglichen. Der Glaube wird als Einschränkung wahrgenommen.

Doch Paulus sagt in 1. Korinther 6,12: "Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles ist nützlich." Das ist ein Paradigmenwechsel. Es geht nicht mehr um die Frage: "Was darf ich tun, um nicht zu sündigen?", sondern: "Was dient mir, anderen und Gott?" Dieser Perspektivwechsel braucht Mut und geistliche Reife – aber er ist notwendig, wenn wir Jugendliche in echte Nachfolge führen wollen.

Vom Zaun zum Zentrum

Regeln haben ihren Platz. Sie können Orientierung geben und vor Schaden bewahren. Aber sie sind nicht das Ziel. Das Zentrum unseres Glaubens ist eine Person, nicht ein Regelwerk: Jesus. Wenn Jugendliche lernen, sich auf ihn auszurichten, wird ihr Leben nicht von "Zäunen" bestimmt, sondern von einer inneren Anziehungskraft.

Ein hilfreiches Bild: Statt uns zu fragen, wie nah wir an den Zaun herandürfen, sollten wir fragen, wie wir näher zum Zentrum kommen. Nicht: "Wie weit darf ich gehen, ohne dass es Sünde ist?", sondern: "Was bringt mich näher zu Jesus?" Das verändert alles.

Tut es mir gut?

"Darf ich das?" ist eine Frage nach Grenzen. Paulus lenkt unseren Blick auf eine andere Dimension: "Ist es nützlich?" Oder in anderen Worten: "Hilft es mir, Jesus ähnlicher zu werden? Dient es meinem Wachstum, meinem Charakter, meiner Beziehung zu Gott und zu anderen Menschen?"

Diese Art zu fragen erfordert geistliche Reife. Denn sie verlangt, Verantwortung zu übernehmen für das, was ich tue und welche Auswirkungen es hat. Sie bringt mich weg vom reinen Regelgehorsam hin zu einem reflektierten Glauben, der das Gute sucht.

Gleichzeitig braucht es das Vertrauen, dass Gott weiß, was mir gut tut – auch wenn es sich nicht immer gleich so anfühlt. "Ist es nützlich?", fragt nicht nur nach dem kurzfristigen Gewinn, sondern nach der langfristigen Frucht.

Hilfreiche Fragen können sein:

  • Welche Frucht bringt diese Entscheidung in meinem Leben?
  • Fördert sie meine Gottesbeziehung oder lenkt sie mich ab?
  • Stärkt es mein Gewissen oder macht es es stumpf?
  • Baut es andere auf oder bringt es sie ins Stolpern?

Nicht alles, was erlaubt ist, ist hilfreich. Und nicht alles, was sich gut anfühlt, dient wirklich dem Leben. Der nächste Schritt in der Nachfolge ist oft nicht der bequemste – aber er ist nützlich.

Prinzipien statt Verbote

Statt auf jede einzelne Frage eine Ja-oder-Nein-Antwort zu geben, können wir Jugendliche darin trainieren, Prinzipien zu erkennen und gute Entscheidungen auf Grundlage von biblischen Werten zu treffen.

Feiern mit Freunden: Die Frage ist nicht nur, ob man als Christ auf eine Party „darf“. Viel wichtiger ist: Wie gehe ich dorthin? Mit welchem Ziel, mit welcher Haltung? Bin ich einfach nur Teil der Masse oder kann ich dort auch ein Segen sein? Werde ich geprägt oder bin ich jemand, der prägt? Ist die Umgebung für mich herausfordernd oder eher gefährlich? Es geht darum, bewusst und verantwortungsvoll Entscheidungen zu treffen.

Hochzeit der lesbischen Freundin: Eine echte Gewissensfrage. Die Angst, durch die Teilnahme Zustimmung auszudrücken, steht oft im Raum. Doch vielleicht ist eine bessere Frage: Wie kann ich Beziehung leben, ohne meine Überzeugung zu verraten? Bin ich bereit, ein Mensch zu sein, der liebt, ohne alles gutzuheißen? Die Balance zwischen Wahrheit und Gnade ist herausfordernd – aber zentral.

Harry Potter lesen: Hier geht es um den Einfluss, den Geschichten auf unser Herz und unsere Gedankenwelt haben. Ist es für mich reine Unterhaltung oder zieht es mich in etwas hinein, das mich innerlich entfernt von Gott? Wir sollten Jugendliche ermutigen, auf ihr Gewissen zu hören – aber auch kritisch zu reflektieren, was sie konsumieren und wie es sie prägt.

Illegales Streaming: Diese scheinbar banale Alltagsfrage berührt tiefere Themen: Ehrlichkeit, Verantwortung, Umgang mit Ressourcen. Jugendliche dürfen lernen: Es geht nicht darum, ob „alle das machen“, sondern ob mein Handeln Gottes Charakter widerspiegelt – auch im Verborgenen.

Solche Fragen lassen sich nicht immer leicht beantworten – aber genau das ist der Punkt. Unser Ziel sollte nicht sein, „richtige“ Antworten vorzugeben, sondern junge Menschen zu begleiten, eigene, reflektierte Entscheidungen zu treffen. Entscheidungen, die nicht aus Angst vor Strafe entstehen, sondern aus der Sehnsucht, Jesus ähnlicher zu werden.

Hilfestellungen für die Praxis in der Jugendarbeit

Wie können wir diesen Perspektivwechsel ganz konkret fördern?

Zunächst: Wir müssen lernen, Fragen zu stellen, statt Antworten zu liefern. Jugendliche entwickeln geistliche Reife nicht durch Regeln, sondern durch Reflexiona. Statt ein "Ja" oder "Nein" zu geben, ist es oft hilfreicher zu fragen: "Was macht das mit dir? Was wäre, wenn Jesus direkt neben dir wäre?"

Das Gespräch suchen ist zentral. Es reicht nicht, einmal etwas zu sagen – vielmehr braucht es einen Raum, in dem Themen wachsen dürfen. Jugendkreise, Kleingruppen oder Mentoring-Beziehungen sind perfekte Orte dafür.

Wir sollten biblische Prinzipien vermitteln, statt Einzelregelungen aufzustellen. Was bedeutet Gnade? Was ist echte Freiheit? Wie sieht Verantwortung aus? Diese Begriffe sind herausfordernd, aber sie sind der Nährboden für geistliches Wachstum.

Ein weiterer Schlüssel: Raum für Gewissensbildung schaffen. Es ist okay, wenn Jugendliche nicht sofort alle Antworten wissen. Manches reift über Zeit. Die eigene Meinung bildet sich oft erst im Ringen mit Gottes Wort, mit anderen Menschen und durch Lebenserfahrung.

Und schließlich: Vorleben statt vorpredigen. Unser Umgang mit Zweifeln, Grauzonen und Freiheit ist oft das wirksamste Zeugnis. Wenn Jugendliche sehen, dass wir selbst in der Nachfolge stehen, ehrlich ringen und mit Jesus verbunden bleiben, wird das mehr prägen als jede Liste.

Freiheit, die vom Zentrum her kommt

Jesus möchte uns nicht mit Gesetzen im richtigen Handeln gefangen halten. Der Fokus sollte nicht darauf sein, was wir nicht dürfen, sondern was wir haben: Jesus. Er ist das Wertvollste und Schönste was wir haben. Der Blick auf ihn verändert unser Leben.

Deshalb ist der Perspektivwechsel so entscheidend. Es geht nicht um Kontrolle, sondern um Vertrauen. Nicht um Verbote, sondern um Beziehung. Nicht um Gesetzlichkeit, sondern um die Freiheit, die in der Nähe zu Jesus entsteht. Jugendliche brauchen keine Liste mit Regeln – sie brauchen ein klares Zentrum. Und dieses Zentrum ist und bleibt Jesus.