„… und dann habe ich ihm noch das Evangelium erklärt.“

Ein kurzer Abriss anhand der Apostelgeschichte darüber, was „Evangelium“ ursprünglich beinhaltet.
„… und dann habe ich ihm noch das Evangelium erklärt.“

Suchst du auch nach Gelegenheiten, anderen von Jesus zu erzählen? Mich begeistert und motiviert es immer wieder, wenn Christen davon berichten, wie sie das Evangelium weitergeben.
Aber was ist eigentlich „das Evangelium“?
Worin besteht die „gute Nachricht“ oder „frohe Botschaft“, wie das griechische Wort euangelion übersetzt wird?

„Jesus ist für dich gestorben. Wenn du das glaubst, vergibt dir Gott deine Sünden und du kommst später einmal in den Himmel.“ So oder so ähnlich hört man es in Predigten und liest es auf Flyern. Doch steht das auch so im Neuen Testament?

Eine Machtfrage

Tatsächlich schreibt der Apostel Paulus im ersten Brief an die Korinther: „Ich tue euch aber, Brüder, das Evangelium kund, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt, in dem ihr auch steht, durch das ihr auch gerettet werdet, wenn ihr festhaltet, mit welcher Rede ich es euch verkündigt habe, es sei denn, dass ihr vergeblich zum Glauben gekommen seid. Denn ich habe euch vor allem überliefert, was ich auch empfangen habe: dass Christus für unsere Sünden gestorben ist nach den Schriften; und dass er begraben wurde und dass er auferweckt worden ist am dritten Tag nach den Schriften… (1. Korinther 15,1-4)
Das Sterben des Herrn Jesus am Kreuz und die Vergebung der Sünden sind also wesentliche Bestandteile des Evangeliums, wobei Paulus hier betont, dass diese Ereignisse untrennbar mit den Erwartungen Israels verbunden sind („nach den Schriften“). Die größte Hoffnung Israels, die in den Propheten immer wieder durchscheint, bestand sicher darin, dass Gott endlich eingreifen und selbst König werden würde. Nach Paulus und den Evangelien hat sich nun genau das in Jesus erfüllt und deshalb gibt es eine gute Nachricht zu verkünden.

In Jesu hat sich auch gezeigt, dass Gott nicht nur für sein Volk Israel eingreift, sondern für alle Menschen (und sich damit ein neues Volk schafft). Der König Israels ist zugleich der Herr der ganzen Welt. Entsprechend lautet der Auftrag Jesu an seine Jünger: „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf Erden. Geht nun hin und macht alle Nationen zu Jüngern, indem ihr sie tauft auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt alles zu halten, was ich euch geboten habe!“ (Matthäus 28,18-20)
In diesem sogenannten Missionsbefehl werden zwei Dinge deutlich:

  • Jesus ist der Herr aller Herren, ihm ist alle Macht gegeben.
  • Daraus ergibt sich sein Herrschaftsanspruch: Alle Völker sollen ihn als Herrn bekennen (Taufe) und so leben, wie er es gelehrt hat („halten, was ich geboten habe“).

Evangelisation im ersten Jahrhundert

Die Apostel tun in der Folge genau das, was ihnen aufgetragen wurde. Sicher überliefert die Apostelgeschichte nicht jede Predigt und jedes missionarische Gespräch von Petrus, Paulus und den anderen. Doch in dem, was Lukas berichtet, werden einige wiederkehrende Merkmale ihrer Evangelisation deutlich:

  • Sie verkündigen Jesus von Nazareth als den Auferstandenen. Ja, die Auferstehung scheint das Zentrum ihrer Verkündigung zu sein. Denn
    hier zeigt sich, dass Jesus von Gott bestätigt wurde und die höchste Autorität verkörpert. Er hat wirklich die absolute Macht, eine Macht, die sogar den unüberwindbaren Tod besiegt.
  • Dieser Jesus ist der Messias, der von Gott Erwählte. Als der Sohn Davids ist er der rechtmäßige König.
  • Die Menschen werden zur Umkehr (Buße) aufgefordert. Damit ist ein neues Denken, aber vor allem auch ein neues Handeln gemeint. Jeder soll sich der Herrschaft Gottes unterstellen und entsprechend leben.
  • Wer Jesus als den Herrn anerkennt, dessen Sünden sind vergeben.

Die meisten Predigten in der Apostelgeschichte werden vor Juden gehalten. Wenn die Apostel zu ihren Landsleuten reden, dann begründen sie verständlicherweise ausführlich, dass Jesus der lang angekündigte Messias ist, auch wenn er ganz anders auftrat als erwartet und sogar gekreuzigt wurde.
Sind die Zuhörer dagegen Heiden, also Menschen, die den Gott Israels bisher noch gar nicht kennen, werden Anknüpfungspunkte aus ihrer Kultur verwendet und weitere Schwerpunkte gesetzt:

  • Gott ist da: „Zwar ließ Gott in der Vergangenheit alle nichtjüdischen Völker ihre eigenen Wege gehen, doch hat er sie nicht ohne Zeugnis von sich gelassen, indem er ihnen Gutes tat. Er hat euch vom Himmel her Regen geschenkt. Er gab euch immer wieder reiche Ernten. Er gab euch Nahrung und machte euch froh und glücklich.“ Apostelgeschichte 14,16-17
  • „… obwohl Gott keinem von uns wirklich fern ist. Denn, durch ihn leben wir, bestehen wir und sind wir. Oder wie es einige eurer Dichter ausgedrückt haben: ‚Denn auch wir sind von seiner Art.“ Apostelgeschichte 17,27-28
  • Gott lässt die Vergangenheit hinter sich: „Gott hat über die Unwissenheit vergangener Zeiten hinweggesehen, doch jetzt fordert er alle Menschen überall auf, ihre Einstellung zu ändern.“Apostelgeschichte 17,30
  • Gott wird jeden Menschen zur Rechenschaft ziehen: „Er hat nämlich einen Tag festgesetzt, an dem er über die ganze Menschheit Gericht halten und ein gerechtes Urteil sprechen wird. Und zum Richter hat er einen Mann bestimmt, den er für die ganze Welt dadurch beglaubigte, dass er ihn von den Toten auferweckt hat.“Apostelgeschichte 17,31

Es beginnt hier und jetzt

Wenn man diese Predigten mit den „Evangelisationen“ unserer Tage vergleicht, fällt auf: Weder die Vergebung der Sünden noch eine angenehme Zukunft im Himmel stehen im Mittelpunkt. Im Mittelpunkt steht Jesus, der auferstandene Herr. Etwas überspitzt formuliert könnte man sagen: Die Apostel bieten den Zuhörern keine „Tickets“ für den Himmel an. Stattdessen rufen sie die Leute auf, hier und jetzt Jesus als Herrn anzuerkennen, indem sie ihm gehorsam sind und seiner Art zu leben folgen. Wer das tut, dessen Sünden sind vergeben und er wird im Gericht vor Gott bestehen. Das erklärt auch die scharfen Gegenreaktionen, die diese Verkündigung hervorrief. Wahrscheinlich hätte sich kein Beamter im Römischen Reich darum gekümmert, wenn die Apostel einfach ein paar interessierten Leuten erklärt hätten, wie man nach dem Tod in den Himmel kommt. Weil sie aber die Herrschaft Jesu ausriefen, war den Hörern klar, dass es sich hier um einen Frontalangriff auf die herkömmlichen Normen und Strukturen handelte. Diejenigen, die von dem herkömmlichen System (auf unterschiedlichsten Gebieten) profitierten, fühlten sich bedroht und bekämpften die Christen. Die Apostel folgten damit sowohl dem Vorbild ihres Herrn, der die Menschen zur Nachfolge aufforderte, als auch seinem Missionsbefehl, indem er Gottes (heilsamen) Herrschaftsanspruch über alle Völker betont. Als sich Paulus vor König Agrippa verteidigt, fasst er diese Art der Evangelisation so zusammen: Ich verkündigte allen „Buße zu tun und sich zu Gott zu bekehren, indem sie der Buße würdige Werke vollbrächten.“ (Apostelgeschichte 17,20)

Mehr als eine Lebensversicherung

Beim Evangelium geht es also um mehr als die Frage, wie mein „Sündenkonto“ wieder auf null gestellt werden kann. Es geht auch um viel mehr als um eine religiöse Versicherung, die mich in Krisenzeiten unterstützt und nach meinem Tod dann vollständig ausgezahlt wird.

Das Evangelium ist Zuspruch Gottes und Anspruch Gottes in einem – größtes Geschenk und größte Herausforderung.


Dieses Ziel hat auch der Apostel Paulus im Blick. Wenn man seine Ausführungen zum Evangelium weiterliest, dann leuchtet dort genau diese Zukunftshoffnung auf: „Denn der Messias muss herrschen, bis er alle Feinde unter seinen Füßen hat … Und wenn ihm dann alles unterworfen ist, wird auch der Sohn selbst dem unterworfen sein, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott alles in allem sei.“ (1. Korinther 15,25-28)